Die Quelle
viel Handel möglich ist. Ich möchte in euren Mauern leben und werde Urbaals Weib mitbringen, denn sie ist jetzt mein Weib.« Die Priester billigten es. Doch als Timna ängstlich am Haus der Fröhlichkeit vorüberging, an deren Zerrüttung sie selbst so viel schuld hatte, entsann sie sich des Tages, da sie zum erstenmal als Urbaals Weib über die Schwelle geschritten war. Amalek hatte einen reifen Granatapfel auseinandergebrochen und gerufen: »Mögest du so viele Söhne haben wie diese Frucht Samen.« Jetzt führte Joktan sie zu einem einfachen Schuppen an der Ostmauer, den die Priester ihm zugewiesen hatten. Schnell aber verwandelte Timna den Schuppen in eine würdige
Wohnstatt, mit einem Altar für den Einen Gott, und es war ihr ein großer Trost, als sie einen Sohn gebar. Sie nannte ihn Urbaal, auf daß seines Vaters Stamm sich fortsetze. Ihre Freude über diesen Sohn aber wurde getrübt, als die Priester zum Schuppen kamen und zu einer von Joktans Sklavinnen sagten: »Dein Kind ist ein Erstgeborener Joktans. Wir müssen ihm am Handgelenk das rote Zeichen machen.«
In der Pein der Sklavin, die ihr Kind verlieren sollte, erkannte Timna ihren eigenen Schmerz wieder; er nagte an ihrem Herzen wie die Mäuse am Weizen. Sie empfand größeren Kummer um das arme Mädchen als einst um sich selbst, denn jetzt wußte sie, daß die Hinopferung der Kinder eine sinnlose Grausamkeit war. Aus Joktans Haus lief sie durch die Straßen, vorbei an Amaleks Haus, wo sie eine Nacht lang gewacht hatte, vorbei am einst fröhlichen Haus, wo jetzt Matred in Bitterkeit regierte, hinauf und an den Monolithen vorbei, die niemals mehr Macht über sie haben konnten, und hinab, an der westlichen Mauer entlang, bis sie zu der geheimen Stelle kam, wo die vier Astarten mit ihren lächerlichen phallischen Steinen vergraben lagen. Sie stampfte mit den Füßen die Erde und schrie: »Ihr, die ihr dort unten schlaft, ihr habt kein Leben. Ihr seid nur Fäulnis. Das Leben liegt im Schoß der Sklavin.« Und sie weinte um Urbaal, um die Sklavin und um das Kind mit dem roten Zeichen, das in seinem Bettchen lag. In tiefer Demut lehnte sie sich an die Mauer - als der erste Mensch in Makor, der ohne Altar und ohne Priester, ganz aus sich selbst heraus zu dem Einen gestaltlosen Gott betete, den die Habiru mit sich gebracht hatten.
Am nächsten Morgen riefen Trommeln die Gläubigen zum Opferplatz. Joktan war wie geblendet von der Macht der neuen Götter. Was für ein Gott, dieser Melak, in seiner unerhörten Stärke! Sein eigenes Kind durfte Joktan diesem Gewaltigen opfern! Als das Kind hoch über die Köpfe der Menge gehoben und auf die steinernen Arme geschleudert wurde, durchrann ihn ein Schauern, wie er es nie zuvor gekannt hatte. Und dann begann der festliche Teil des Tages mit Musik und leisem Gesang. Joktan ahnte, daß ihm etwas Wunderbares bevorstand. Er ließ Timna und die Sklavin, die am Altar des Feuergottes trauerten, im Stich, stellte sich weiter vorn in die Menge und sah zum erstenmal die hochgewachsene Priesterin Libamah durch das Tempeltor schreiten, eine lebendige Göttin, die sich mit übermenschlicher Anmut bewegte. Schöner war sie als alle Frauen, denen er in der Wüste begegnet war, und als sie, von den Priestern entkleidet, nackt dastand, keuchte er vor Lust.
Timna verließ die weinende Sklavin und ging zu Joktan. Der hatte eben erst begriffen, was hier vorging: daß die Priester einen unter den Zuschauern aufrufen würden, bei der betörenden Priesterin zu liegen. Sie traute ihren Augen nicht: Joktan beugte sich vor, gaffte mit offenem Mund wie ein Knabe, als die geschmeidige Dirne dort oben tanzte. Mit gespreizten Beinen wartete Libamah nun, daß die Priester den Mann nannten, den sie ihr heute bestimmt hatten. In diesem Augenblick höchster Spannung sah Timna mit Entsetzen, daß Joktans Lippen sich bewegten, daß er betete: »El, laß mich der Mann sein!« Und als ein Töpfer aus der Stadt die Stufen hinauflief, um Astarte und der Fruchtbarkeit zu dienen, starrte Joktan so gebannt auf das, was geschah, daß Timna, die diesen Blick nicht zum erstenmal sah, zu ahnen vermochte, welch hitzige Vorstellungen ihn bedrängten. Der einsame Altar unter der Eiche aber ward vergessen.
Schicht XIII Ein alter Mann und sein Gott
Zwei Tongefäße, auf der Töpferscheibe geformt, gebrannt bei 880° C in Makor, 1427 v. Chr. Farbe hellrot. Schale links innen mit dunkelroten und gelben waagerechten Streifen verziert, Krug rechts mit Streifen der
Weitere Kostenlose Bücher