Die Quelle
solchen Versprechen abzuraten. Zugleich aber gab Joktan deutlich zu erkennen, daß er seinen eigenen Altar unter der Eiche als unantastbar behalten werde. Die Priester waren damit einverstanden.
Daß Makor die Fremden, diese Vorläufer einer Jahrhunderte später einsetzenden Masseneinwanderung, ohne weiteres aufnahm, war nichts Neues. In den vergangenen tausend Jahren hatten sich immer wieder solche Familien und Sippen auf den umliegenden Feldern eingestellt und waren schließlich in die Stadt selbst gezogen, deren Sitten und Götter sie bereitwillig übernahmen. Es sah ganz so aus, als werde es mit den Habiru nicht anders sein als mit denen, die sich früher hier angesiedelt hatten. Die Priester prüften die Fremden gründlich, und mit Recht durften sie annehmen, daß die Habiru sich schon recht bald in die Bevölkerung von Makor eingliedern würden, wie auch ihr Altar unter der Eiche in die Verehrung der Monolithen und Baalim einbezogen werden sollte. Solche Angleichung hatte es in der Vergangenheit wiederholt gegeben; es lag kein Grund vor zu zweifeln, daß es diesmal anders sein werde. Joktan machte als ein verständiger Mann und Oberhaupt einer blühenden Sippe einen guten Eindruck; sie freuten sich, ihn und seine stattlichen Söhne als neue Mitbürger willkommen zu heißen. Von der Gemeinde aufgenommen, war Joktan nun befugt, sich auch innerhalb der Mauer zu bewegen. Der Luxus in Makor überraschte ihn. Nie zuvor hatte er in einem Haus gelebt, und nicht einmal viele
Häuser hatte er bisher gesehen. Hier aber waren mehr als hundert zusammengedrängt - ein für ihn kaum glaublicher Anblick. Die Läden waren mit Gütern angefüllt, die er nur begehrlich anstaunen konnte: Wein und Öl, irdene Kochtöpfe und gewebte Stoffe. Überwältigend vor allem war der Tempelbezirk, wo die vier Monolithen die Macht Makors kündeten. Als die Priester ihn zum alten Stein des El führten, sagte er ruhig: »Der Gott, den ich verehre, ist auch El.« Die Priester nickten zufrieden.
Timna lebte in den Zelten der Habiru und sah, welch kräftiger, gesunder Schlag sie waren. Sie aßen und tranken
gern, wurden zanksüchtig in der Trunkenheit und hielten
Fremden gegenüber eng zusammen. An männlichen Neugeborenen wurde der Brauch der Beschneidung vollzogen, und die Mädchen verheiratete man früh, oft mit ihren Vettern. Der einfache Altar, den die Habiru zu Ehren des El errichtet hatten, war ihnen nicht so wichtig wie den Einwohnern von Makor der Tempel, aber sie brachten ihrem Altar größere Achtung entgegen. Oft ging Timna hin; immer fand sie geweihte Blumen dort oder die Federn einer Taube. Der Gott, der diesen heiligen Ort bewohnte, verlangte keine erstgeborenen Söhne, und er wünschte nicht, daß nackte
Mädchen bei den Bauern lagen. Es machte Timna tiefen
Eindruck, wenn Joktan, der sie bei seinen Weibern leben ließ und ihr ungeborenes Kind in das Lager aufzunehmen versprochen hatte, allein zum Altar ging und still, ohne das Dröhnen der Trommeln, ohne den Klang der Hörner, mit nur wenigen Worten betete. »Wer ist dein Gott?« fragte sie eines Tages. »Der Einzige Gott«, antwortete er.
»Warum hast du dann die Baalim anerkannt, wie die Priester es verlangt haben?«
»Ich verehre die Götter jedes Landes, in das ich komme.«
»Ich glaube, daß unter den vielen Göttern nur einer wirklich ist und daß die anderen keine Verehrung verdienen. Wie wird dein Gott genannt?«
»El.«
»Wie der, welcher im kleinen Stein vor unserem Tempel wohnt?«
»El hat keine Wohnung, denn er ist überall.« Dieser einfache Gedanke leuchtete in Timnas wißbegierigem Geist auf wie Sonnenschein nach dem Gewitter, wie ein Regenbogen nach kaltem Regenfall. In Joktans Worten hatte sie das gefunden, was sie so lange tastend gesucht hatte: den einen, einzigen, gestaltlosen Gott, der keinen Monolithen bewohnte, keine besondere Sprache sprach. Joktan erlaubte ihr, jeden Tag auf den Altar des Einen Gottes Frühlingsblumen zu legen - gelbe Tulpen, weiße Anemonen oder roten Mohn.
Timna zeigte den Habiru den Weg nach Akka, und Joktan zog mit seinen Eseln auf eine Handelsreise dorthin, denn Habiru bedeutet Eselstreiber oder einer, der staubig vom Wege ist. Als die Karawane, beladen mit Gütern des Seehafens, zurückgekehrt war, schickte Joktan seine Söhne aufs Feld, während er sich zum Stadttor aufmachte, um mit den Priestern zu beraten. »Ich habe gefunden, daß in Akka
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