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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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noch Lernender darauf bedacht, das buckelige Ende nicht zu zerschlagen, ließ er sein Leben an sich vorüberziehen. Er machte immer noch Klingen aus Feuerstein, obwohl im Land seit dreitausend Jahren schon Waffen und Werkzeuge aus Kupfer bekannt waren - doch diese Zeitspanne vermochte Zadok sich nicht zu vergegenwärtigen: daß bereits vor mindestens zweitausend Jahren die Schmiede in den Städten entdeckt hatten, aus einer Mischung von einem Teil Zinn mit neun Teilen Kupfer Bronze zu gewinnen, Bronze, viel härter als die beiden unvermischten Metalle, aus denen sie zusammengeschmolzen war. Aus dieser Bronze - der Alte wußte es - fertigten die Städter Werkzeuge, fein und genau, und starke Waffen. In den Städten hatte sich das Leben gewandelt - der Alte wußte es -, aber er war bei seinen Feuersteinen geblieben. Aus ihnen schlug er alles Gerät und alle Waffen, die die Seinen brauchten. Er nahm Feuerstein nicht allein, weil er ihn umsonst bekam - während Bronze teuer mit Häuten aufgewogen wurde -, sondern auch, weil er wußte, daß Gott die Bronze erschaffen und bereitgelegt hatte für Seine Hebräer, wenn es Sein Wille gewesen wäre, daß sie Bronze benutzten. Niemals hätte Er von ihnen verlangt, daß sie Metalle mischten, denn dies war ein verdächtiges Tun und ein Beweis menschlicher Überheblichkeit.
    Allen Schwierigkeiten begegnete der alte Mann auf gleiche Weise: Da war die alte Wahrheit, bewährt in langen Jahren von Sitte und Brauch, und da war das Neue, das die Menschen ins Unbekannte verleiten konnte. Er aber war entschlossen, sein Volk in der Sicherheit des Altüberkommenen zu halten. Er gab den einfachen, zweckmäßigen Dingen, getan nach einfacher, zweckmäßiger Weise, den Vorzug. Die Seinen arbeiteten härter als die meisten anderen Sippen, und deshalb gediehen die Herden. Seine Weiber brachten viele Stunden damit zu, Kleider zu weben und zu nähen, und deshalb trugen sich seine Männer besser als andere Nomaden. Er lehrte die Seinen Fleiß in allen Dingen und Achtung, und deshalb vermehrten sich die Familien. Und da die Seinen gern unter dem Schutze El-Schaddais lebten, waren sie glücklich und tüchtig.
    Denn der alte Mann, der sie führte, der Alte, der jetzt auf seinen Fersen hockend seinen Feuerstein bearbeitete bis zu dem immer wieder erfreulichen Augenblick, da er mit seinem kleinen Steinhammer klopfen und eine Klinge nach der anderen abschlagen konnte - als Lohn für sorgsame Vorarbeit -, war nicht nur ein Mann tätigen Lebens, sondern auch geistigen Sinnens. Seine müden Augen reichten weit über die Wüste hinaus bis zu den unsichtbaren Gipfeln der Gedanken, dorthin, wo die Luft kalt war und der Eine Gott wohnte: El-Schaddai. Spätere Geschlechter, die andere Sprachen sprachen, deuteten den alten semitischen Namen »Er vom Berge« in »Der Allmächtige Gott« um, denn es war El-Schaddai bestimmt, auf mancherlei Umwegen sich wandelnd zu jenem Gott zu reifen, den ein Großteil der Menschheit anbeten sollte. Doch in jenen schicksalhaften Tagen, als ein Häuflein Hebräer in der Wüste lagerte und auf das Zeichen zum Aufbruch nach Westen wartete, war El-Schaddai nur der Gott dieser Hebräer, niemandes Gott sonst. Sie wußten nicht einmal, ob El-Schaddai der Gott der anderen Hebräer geblieben war, die in ferne Gegenden weitergezogen waren, bis nach Ägypten. Eines jedoch wußte Zadok mit Sicherheit: El-Schaddai selbst bestimmte das Geschick derer, die an Ihn glaubten, denn von allen Völkern, die im menschenwimmelnden Gebiet zwischen dem Euphrat und dem Nil Ihm zur Verfügung standen, hatte Er die Hebräer als das Ihm liebste Volk auserwählt, und sie lebten in Seiner Umarmung und erfreuten sich eines Schutzes, den die anderen nicht kannten. Ein schwer zu begreifender Gott. Er war unkörperlich, und dennoch sprach Er. Er war unsichtbar, und dennoch vermochte Er in einer Feuersäule zu wandeln. Er war allgewaltig, und dennoch duldete Er die geringeren Götter der Kanaaniter. Er wachte über das Leben der Menschen, und dennoch ermunterte Er sie, nach eigenem Urteil zu handeln. Er war mildherzig, und dennoch vermochte Er die Vernichtung einer ganzen Stadt zu befehlen - wie Er an der Stadt Timri getan hatte, als Zadok ein Kind von sieben Jahren war. Er wohnte überall, und dennoch war Er Der Gott dieses einen Hebräerstammes. Er war ein eifersüchtiger Gott, und dennoch erlaubte Er den Nichthebräern, jedwelchen geringeren Göttern ihrer Wahl zu huldigen.
    Während Zadok sinnend die Klingen von

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