Die Quelle
Hauptmann. Wie die Bürger von Makor hofften sie, daß der wahnsinnige Bauer entflohen sei und sich dadurch alles Weitere erübrigen werde. Als sie zu den Zelten der Fremden kamen, wollten sie fragen, ob Urbaal hier gewesen sei, aber da sahen sie ihn schon, unter der Eiche, neben den Altar geduckt. »Wir kommen wegen des Mörders«, verkündete der Hauptmann. Joktan trat vor und erwiderte, ohne die Stimme zu heben: »Er hat Zuflucht bei mir gesucht.«
»Er ist hier nicht in einem Tempel«, erklärte der Hauptmann. »Wir müssen ihn mitnehmen.« Aber Joktan blieb fest, und seine Söhne scharten sich um ihn. Der Hauptmann trat zurück, um sich mit seinen Männern zu beraten. Der Entschluß war schnell gefaßt: Wenn es zum Kampf mit den Fremden kam, konnten sie diese sicherlich überwältigen. Aber ebenso gewiß mußte mancher sein Leben lassen. Deshalb zogen sich die Krieger zurück und schickten den Priestern einen Boten. Die kamen selbst, in vollem Ornat, voran der Hohepriester. Der Hauptmann meldete: »Urbaal ist hier, aber der Fremde weigert sich, ihn auszuliefern.«
»Er hat an meinem Altar Schutz gesucht«, sagte der Habiru fest. Angesichts dieser Entschlossenheit schien es den Priestern nicht ratsam, Urbaal mit Gewalt fortschleppen zu lassen. Und so versicherten sie: »Wir werden dein Heiligtum achten.«
Der Hohepriester aber ging zu Urbaal und sagte: »Amalek ist tot, und dein Leben ist verwirkt. Du mußt mit uns kommen und deine Tat büßen.« Der Bauer begriff in seiner Geistesverwirrung nicht völlig, was man von ihm wollte, aber eines verstand er nun endlich: daß es Amalek war, sein Freund Amalek, den er getötet hatte. Er begann bitterlich zu weinen. Die Priester wandten sich an Timna: »Hole ihn vom Altar fort, denn wir müssen ihn mit uns nehmen.« Abermals widersprach Joktan: »Wenn er beim Altar bleiben will, so soll er bleiben.« Und die Priester achteten diesen ehrenhaften Entschluß und traten beiseite. Aber was sollte geschehen?
Timna traf die Entscheidung. Sie ging zur Eiche, kniete neben ihrem Mann nieder und sagte mit ruhiger Stimme: »Das Ende unserer Tage ist gekommen, Urbaal.
Wir haben viel Unrecht getan. Ich werde mit dir sterben.« Er sah sie hilflos an, legte dann seine Hände in die ihren, ein friedlicher Mann, der seine Felder geliebt hatte und das Bienengesumm in den Blüten. Sie half ihm aufstehen und führte ihn zu den Priestern, die den Kriegern befahlen, ihm den Strick um den Hals zu legen.
»Ich will mit ihm sterben«, sagte Timna, »denn die Schuld lag bei mir.«
»Du wirst über die Straßen des Landes ziehen«, erwiderten die Priester. Sie aber klammerte sich an Urbaal, bis sie vor dem Tor der Stadt weggestoßen wurde und in den Staub fiel. Sie hob den Kopf. Da sah sie ihren Mann, den kleinen König des Olivenhains, zum letztenmal den Hang hinauf und durch das Stadttor gehen. »Nein, nein«, weinte sie, als er ihrem Blick entschwand. »So Furchtbares habe ich ihm angetan.« Dem Todesgott hatte er zu widerstehen vermocht, aber die Göttin des Lebens hatte ihn vernichtet. Matred, die niedrigdenkende, die ihn nicht liebte, hatte ihn nicht verraten, sondern sie selbst, Timna, die ein gehorsames Weib hatte sein wollen. Einen Trommelwirbel hörte sie noch, dann war Schweigen. Sie hatte einige Zeit im Staub gelegen, da kamen von den Fremden einige und hoben sie auf. Denn Joktan hatte zu seinen Söhnen gesagt: »Geht die Frau holen; sie ist ein treues Weib gewesen.« Und so kam Timna, die Witwe, ins Lager des Habiru.
In den Tagen danach fanden jene ersten neugierigen Begegnungen statt, wie sie stets erfolgten, wenn eine fremde Sippe auf den Feldern vor einer ummauerten Stadt erschien. Die Frauen der Habiru gingen auf einem Pfad um die Stadt herum ruhig zum Brunnen. Auf ihren Köpfen trugen sie große Krüge, um sie mit dem guten Wasser zu füllen. Schweigend sahen die Frauen aus Makor ihnen zu. Priester kamen aus der Stadt, um sich die Zelte der Nomaden anzusehen. Dort erfuhren sie, daß alle diese Fremden Angehörige einer einzigen großen Familie waren - diese Leute Joktans, die eher hatten sterben wollen als das Heiligtum ihrer Götter entweihen lassen. Namen und Wesen seiner Götter schien Joktan nicht angeben zu wollen oder zu können. Aber als ihm die Priester auseinandersetzten, daß er den Gott El, die größeren Baalim sowie Melak und Astarte annehmen müsse, sofern er am Wasser vom Brunnen Makors teilhaben wolle, sagte er zu, obwohl Timna versuchte, ihm von einem
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