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Die Quelle

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Schomburg
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Dominoeffekt. Damit wissen wir, was in Frankreich passiert ist. Aber warum der Stromausfall bei uns? Können Sie nicht prägnanter zusammenfassen? Knapp und präzise. Kein professorales Dozieren! Kein wissenschaftliches Florett! Sie wissen doch, der Kanzler liebt den wuchtigen Schwerthieb. Handfeste, knappe, verständliche und einprägsame Erklärungen.«
    Sieber unterstrich seine Worte mit abgehackten Handbewegungen. Sein amüsiert funkelnder Blick ärgerte Hagen ganz besonders.
    Er brauchte einen Moment, um seinen Ärger herunterzuschlucken. Da der Kanzler Sieber aber nicht unterbrach, verkniff sich Hagen eine Antwort und konzentrierte sich wieder auf die Rolle des Beraters. Professionell, cool, auf die Sache konzentriert.
    Außerdem war dies nicht der rechte Zeitpunkt, ein Machtscharmützel zu inszenieren. Er benötigte Hilfe. Wusste Sieber das? War er deshalb so frech?
    »In den Ländern, die zusätzlichen Strom für Frankreich bereitstellten, kam es zum gegenläufigen Effekt«, fuhr Hagen betont gelassen fort. »Aufgrund des Abrufes aus Frankreich wurde vermehrt Strom aus den angefahrenen Spitzenlastkraftwerken eingespeist, der nun nicht nach Frankreich durchgeleitet werden konnte, weil das französische Netz zusammengebrochen war.
    Die Konsequenz in den anderen Ländern war wiederum ein Ungleichgewicht, diesmal mit einer zu hohen Netzfrequenz. Als Folge koppelten sich nun dort Kraftwerke zum Schutz der Turbinen vom Netz ab. Die starken Schwankungen von zu hoher und zu niedriger Frequenz sind nach den bisherigen Erkenntnissen die Ursache, dass auch dort die Netze zusammenbrachen. Hinzu kam, dass bei diesen computergesteuerten Abschaltungen Schäden in überalterten Relais und Umspannstationen auftraten, die erst gefunden und behoben werden müssen, bevor die Netze wieder anfahren können.«
    »Sie sagen mir also, dass die beabsichtigte Hilfe für Frankreich den Stromausfall in den anderen Ländern verursacht hat.« Fischer klatschte in die Hände. »Ist das sicher?«
    »Das ist das, was bisher von den Netzbetreibern und Stromerzeugern an Nachrichten hereingekommen ist. Und technisch kann es stimmen, obwohl ja immer behauptet wird, so etwas könne nicht eintreten. Aber es passiert im Kleinen ja immer wieder. Fakt ist, dass bei solchen Vorfällen generell mehrere Komponenten zusammenwirken. Was letztlich davon stimmt, werden wir erst genau erfahren, wenn der Strom wieder fließt. Im Moment sind alle im Katastropheneinsatz, arbeiten ihre Notfallpläne ab. Aber auf eins müssen wir uns jetzt schon gefasst machen: Die Stromwirtschaft warnt seit Jahren vor der Überlastung der Netze. Und das werden sie jetzt lauthals ausschlachten.«
    Fischer dachte kurz nach.
    »Vor den Wichtigtuern der Stromkonzerne ist mir nicht bange. Und wenn tatsächlich stimmt, was der italienische Ministerpräsident schon gestern Abend gesagt hat, und der Crash in Frankreich seinen Ausgang genommen hat, dann ist das unsere Botschaft an die Presse! Sieber, haben Sie das gehört? Das geben Sie nach außen! Ich kann den Kerl sowieso nicht ab! Er hat mich nach meiner Wahl beim Antrittsbesuch im Elysee-Palast glatt die gleiche Zeit warten lassen, die ich zu spät gekommen bin. Fünfzehn Minuten! Erinnern Sie sich, Sieber?«
    Hagen wusste, was der Kanzler meinte. Der Wagen des Kanzlers war ausgerechnet bei der Abfahrt vom Hotel zum Elysee-Palast mit einem Motorschaden liegengeblieben. Das Hin und Her des Wagentausches war während der Fahrt nicht ganz aufgeholt worden.
    Bei der anschließenden gemeinsamen Pressekonferenz hatte Fischer fünfzehn Minuten ausharren müssen, bis der französische Präsident erschien und sich damit entschuldigte, dass ein wichtiger Anruf des kongolesischen Ministerpräsidenten ihn aufgehalten habe.
    »Es klingt aber trotzdem fantastisch!«, sagte Kanzleramtsminister Sieber vorsichtig. »Um nicht zu sagen: unglaubwürdig.«
    »Natürlich ist es eine komprimierte Darstellung!«, erwiderte Hagen ruhig, als der Kanzler ihn fragend ansah. »Alle großen Stromausfälle der letzten Jahrzehnte hätten nicht geschehen dürfen. Dabei hat es genug gegeben.«
    Hagen zählte einige auf. Er erinnerte an die großen Stromausfälle in Chile und Brasilien und verwies auf den großen Stromausfall im Nordosten der USA und Kanadas, bei dem rund 50 Millionen Menschen in einem Gebiet halb so groß wie Deutschland schlagartig ohne Strom waren.
    »Und in Europa haben wir ja auch schon leidvolle Erfahrungen gemacht. Die Dänen und Schweden

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