Die Quelle
es drunter und drüber. In Sekundenbruchteilen entschied er sich zu schießen, verwarf die Entscheidung, überlegte es sich wieder anders.
Wenn er den Abzug durchzog, war das etwas Endgültiges. Wenn die Kugel ihr Ziel traf, dann hatte sich der Kerl das selbst zuzuschreiben. Aber wenn er den Entführer verfehlte, womöglich Francesca traf ...
Aus den Augenwinkeln sah er, wie einer der schießenden Kidnapper sich aufbäumte und dann zu Boden stürzte, während seine letzte Geschossgarbe in den Himmel raste.
Benn nahm den Druck vom Abzug der Pistole, als der Kidnapper Francesca in den Rücken schlug, die daraufhin gegen Kemper fiel und mit ihm zu Boden stürzte. Während Francesca benommen hocken blieb, riss der Kidnapper Kemper hoch.
Benn ließ die Pistole fallen und sprang auf die Motorhaube des Polizeiwagens. Der Kidnapper drückte Kemper in den Innenraum des Wagens. Mit einem weiteren Sprung landete Benn auf der Brücke, gerade, als der Entführer Francesca packte und sie in den Wagen stieß.
Benn hastete mit großen Schritten los.
Francesca stürzte in den Innenraum des Transporters.
Mit den Füßen voran sprang Benn in die Beine des Entführers. Der Kidnapper knickte in den Kniekehlen ein, verlor das Gleichgewicht und stürzte rückwärts auf Benn, der nicht schnell genug zur Seite rollte.
Er packte nach dem Hals seines Gegners, aber der Mann wand sich wie ein Aal aus der Umklammerung. Dann war der Kidnapper über Benn, hockte auf ihm und würgte ihn mit beiden Händen.
Der Entführer wusste genau, wo und wie er zudrücken musste. Benn spürte den Druck, der in Sekundenbruchteilen unerträglich wurde.
Keuchend schob er den rechten Arm über die würgenden Hände seines Gegners und drückte mit der offenen Hand gegen die Brust des Kidnappers.
Der Entführer grinste triumphierend und drehte leicht den Kopf. Die Brandwunde auf seiner rechten Wange stach weißlich von dem geröteten Gesicht ab.
Benn zog die Hand zurück, versteifte die drei mittleren Finger und stieß sie mit voller Wucht in die Kehle des Gegners.
Der Kidnapper jaulte auf und lockerte schlagartig den Würgegriff. Benn drückte seine gestreckten Finger weiter in dessen Kehle, dann riss er die Hand zurück. Dabei spreizte er Zeige- und Mittelfinger und stieß sie in Richtung der Augen seines Gegners.
Der Kidnapper warf den Kopf nach hinten und wich so dem Angriff aus. Benn riss die Hand zurück und drosch den Handballen unter das Kinn des Angreifers. Instinktiv drehte er den Kopf, als Kugeln neben ihm im Asphalt einschlugen.
Er sah den zweiten Schützen aufspringen und schießend zur Beifahrertür eilen, doch urplötzlich blieb der Mann stocksteif stehen, ehe er in den Knien einknickte und zusammensackte.
Benns Blick erfasste eine triefend nasse Gestalt am Rand der Mole, die auf dem Bauch lag und schoss.
In diesem Moment traf ihn eine Faust mit voller Wucht.
Kapitel 14
BERLIN
»Elektrizität kann man nicht speichern. Jedenfalls nicht in großem Maßstab. Eine funktionierende Stromversorgung ist die perfekte Just-in-time-Wirtschaft. Keine Lager. Es muss immer so viel Strom zur Verfügung gestellt werden, wie gerade benötigt wird.«
Hagen machte eine Pause und beobachtete die Reaktion des Kanzlers. Wenn Arndt Fischer Details nicht interessierten, würgte er die Redner ohne Gnade ab. Und je nach Laune reichte die Spannbreite von sanftem Spott bis hin zu verletzenden Bösartigkeiten. Hagen dachte nicht daran, nach der anstrengenden Nacht auch noch als Punchingball zu dienen.
»Angebot und Nachfrage müssen sich immer ausgleichen«, fuhr er fort, als Fischer ihn mit einer Handbewegung dazu aufforderte. »Da man aber trotz aller Vorausberechnungen und Erfahrungen beim Leistungsabruf nicht vor Überraschungen gefeit ist, sind mit Ausnahme Großbritanniens, Russlands und der nordischen Länder die Stromnetze europaweit untereinander verbunden, um sich im Bedarfsfall gegenseitig auszuhelfen. Die nordischen Länder haben einen gesonderten Verbund, und Großbritannien hat wie so oft seinen eigenen Kopf ...«
Hagens Blick streifte das müde Gesicht des Kanzlers, der plötzlich zur Tür sah.
Kanzleramtsminister Sieber betrat das Büro.
Auch der noch, dachte Hagen. Er hatte bisher mit keinem Wort das Thema anschneiden können, weswegen er so früh zum Kanzler gekommen war.
Der Kanzleramtsminister zögerte einen Moment, dann setzte er sich auf den Stuhl neben den Bundeskanzler und schob seine dünne, lederne Mappe über die Tischplatte,
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