Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Wachmann wies auf eine Wand mit Kühleinheiten am anderen Ende des Raums.
»Gefriertruhe?«
Der Mann blickte Simon an, als wäre doch wohl klar, was das zu bedeuten hatte. »Sie ist tot.«
Simons Miene verriet nicht, was er empfand, aber Michael konnte seine Trauer und seine Wut nicht verbergen.
»Das glaube ich nicht«, sagte Simon.
»Ich schwöre, dass sie da drin ist. Sie soll heute Nacht obduziert werden.«
»Obduziert? Warum denn das?«, fragte Busch.
»Der Termin wurde soeben abgeblasen«, sagte Simon und schlug dem Mann ins Genick. Er fiel bewusstlos vornüber auf den Schreibtisch.
Sie fesselten und knebelten den Mann und zogen ihn aus dem Weg. Dann setzte Michael sich wieder ans Keyboard. Nach kurzer Zeit hatte er die Leitkonfiguration für die Sicherheitskameras entdeckt, die alle nach ihrem Standort bezeichnet waren. Er fand das medizinische Labor und brachte das Bild des leeren Raums auf den Monitor, der vor ihm stand. Das Bild war statisch; nichts rührte sich. Das aber änderte sich, als es Michael gelang, die Aufzeichnung zurücklaufen zu lassen. Dann erschienen zwei Personen auf dem Monitor. Michael ließ die Aufzeichnung weiterlaufen. Und dann sah er sie: Genevieve, auf die Trage geschnallt, mit einer Infusion im Arm. Julian stand neben ihr, hatte die Hand um den Infusionsschlauch gelegt, ging mit dem Gesicht ganz nahe an Genevieves heran und beugte sich über sie. Ihre Blicke schienen ineinander verschlungen zu sein. Das stumme Bild war für Michael wie ein Spuk. Er sah, wie sie miteinander redeten, ohne ein Wort zu hören, und sah, wie Genevieve versuchte, sich von ihren Fesseln zu befreien. Er konnte sich vorstellen, was als Nächstes passieren würde.
Busch kehrte dem Bildschirm den Rücken zu, nicht imstande, sich das Unvermeidbare anzuschauen. Nicht so Michael und Simon. Sie konnten den Blick nicht losreißen, als Julian mit dem Daumen den Kolben der Spritzkanüle nach unten drückte und irgendetwas in den Infusionsschlauch spritzte. Augenblicklich verzerrte sich Genevieves Gesicht vor Schmerz. Ihr Körper erstarrte. Ihre Augen weiteten sich, und ihr Mund öffnete sich zu einem lautlosen Schrei. Der Augenblick schien eine Ewigkeit zu dauern, dann lag sie reglos da. Während der ganzen Tortur wandte Julian keine Sekunde den Blick von seiner Mutter ab, die sich vor Schmerzen wand. Seine Augen blieben nur Zentimeter von ihren entfernt, und sein Gesicht war eine gefühllose Maske, als er beobachtete, wie sie starb.
Keiner sprach ein Wort. Jeder für sich versuchte, den Muttermord zu verarbeiten. Als Michael sich umdrehte und Simon ansah, wusste er, was dieser tun würde. Simon würde Julian töten, und weder Michael noch Busch würden ihm dabei im Weg stehen.
Der Computer piepste, als die Datenübertragung abgeschlossen war. Das Geräusch brachte Michael zurück in die Gegenwart. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu, auf dem Susan zu sehen war. Sie saß an einem Konferenztisch, auf dem Essen stand; sie saß ganz still da, ohne Regung und ohne erkennbare Furcht.
Michael riss sich von ihrem Anblick los und kroch unter den Schreibtisch, unter dem er zwei Server entdeckte. Beide brummten leise; ihre Dioden leuchteten. Michael zog einen Memorystick aus der Tasche, griff hinter einen der Server und schob den Stick in den USB-Port. Binnen Sekunden war das Programm auf dem System. Es würde den gesamten Server in zehn Minuten ausschalten. Von all seinen hausgemachten Virusprogrammen war Michael dies hier das liebste, und es hatte ihn noch nie im Stich gelassen, wenn es galt, seine Spuren zu verwischen.
»Wir können gehen«, sagte er.
Durch Genevieves Tod war die Stimmung im Raum plötzlich düster. Die drei Männer bewegten sich auf die Tür zu.
»Meine Pläne haben sich geändert«, sagte Simon.
»Du kannst dir Julian erst schnappen, wenn wir Susan haben«, erwiderte Michael.
»Ich werde Genevieves Leichnam nicht hier zurücklassen, damit sie ihn irgendwo verscharren.«
»Simon, wir können sie hier nicht raustragen.«
»Sie wurde ermordet, Michael. Sie hat mich gebeten, ihren letzten Wunsch zu erfüllen, wenn sie stirbt, und ich habe es ihr immer wieder versprochen.«
»Und wie sieht dieser letzte Wunsch aus?«
»Das wirst du dann schon sehen.«
Michael hätte Simon gern umgestimmt, wusste aber, dass sein Freund seine Meinung niemals ändern würde.
»Du hast fünfzehn Minuten, Simon«, sagte er. »Dann sind wir hier weg.«
»Bist du sicher, dass du es bis zu
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