Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Teil an Straßenkämpfen hinter sich hatten. Alle sahen aus, als nähmen sie es mit dem Gesetz nicht allzu genau, aber das war Kelley egal. Wenn er die gegenwärtigen Umstände betrachtete, konnten Gesetz und Ordnung ihn mal.
Der Flugplatz war ein weites, offenes Gelände, das von Wäldern, Hügeln und Bächen umgeben war, die nach Süden ins Meer strömten. In diesem friedlichen Teil der Welt schienen die Sterne heller zu strahlen, als Stephen es je zuvor irgendwo gesehen hatte. Es erschütterte ihn, dass keine fünfzig Kilometer weiter im Namen Gottes und des Glaubens abscheuliche Verbrechen begangen wurden. Die Flugpiste – Flughafen wäre zu hoch gegriffen – befand sich acht Kilometer außerhalb eines winzigen Küstenortes, und hin und wieder stieg Stephen ein Hauch Seeluft in die Nase, die er so liebte. Die gewundene Straße führte aus den Bergen am Flugplatz vorbei und geradewegs ins nahegelegene Städtchen. Es war der einzige Weg hinein oder wieder heraus.
Stephen saß auf einem zusammenklappbaren Liegestuhl neben der Landebahn und genehmigte sich einen Whiskey. Er legte den Kopf in den Nacken und lauschte der klassischen Musik, die aus den geöffneten Türen der Limousine drang, die neben ihm geparkt war. Martin trat aus dem Hangar, eine Flasche Scotch und zwei Zigarren in den Händen. Er setzte sich neben Stephen, schenkte ihm nach und reichte ihm eine der Cohiba Lanceros, aber Stephen konnte sich nicht vorstellen, die in dieser Situation zu rauchen. Er beschloss, das feierliche Ritual zu vertagen, bis Michael mit Susan zurückkehrte.
»Meinen Sie, er schafft das?«, fragte Stephen.
Martin blickte ihn an und nickte. »Zähigkeit und Erfindungsgeist liegen Ihrer Familie im Blut. Michael ist in den Kreml eingedrungen.«
»Ich kann es nicht glauben.«
»Wir haben alle unsere Talente.«
Stephen nickte. Auf seltsame Art und Weise war er schwer beeindruckt; er hatte keine Ahnung, welcher Fähigkeiten es bedurfte, um so etwas zu tun, aber wenn Michael in der Lage war, in einen so schwer gesicherten Ort einzudringen, würde Susan vielleicht doch noch unversehrt zurückkehren. Es zerriss ihm fast das Herz, dass sie sich in so großer Gefahr befand, und das Einzige, was er tun konnte, war, hilflos hier herumzusitzen.
»Ich hasse das Warten«, sagte Stephen.
»Das haben Sie immer schon gehasst.«
»Das ändert nichts daran, wie ich mich jetzt fühle.«
»Sie sagen immer, dass es für jeden Fall den richtigen Anwalt mit der richtigen Fachkenntnis gibt. Nun, dieser Fall hier ist in den richtigen Händen.«
Stephen blickte Martin an. Seit zwanzig Jahren war Martin das Ying zu seinem Rechtsanwalts-Yang, die ausgleichende Kraft, die ihn in Situationen, in denen er sich irrational verhielt, mit weiser Voraussicht und in aller Deutlichkeit wieder ins Gleichgewicht brachte.
»Nehmen Sie es mir bitte nicht übel, aber ich muss sagen, dass Sie einander nicht nur äußerlich ähneln. Er ist vielleicht ganz anders als bei Peter, aber es besteht kein Zweifel.« Martin lächelte. »Er ist Ihr Sohn.«
Stephen schaute weg. Je mehr Zeit er mit Michael verbrachte, desto deutlicher wurde ihm, dass ihre Gemeinsamkeiten über das äußere Erscheinungsbild hinausgingen. Während Stephen zu Anfang geglaubt hatte, sie seien so verschieden, wie man nur sein kann, war ihm inzwischen bewusst geworden, dass sie in Wahrheit wie die beiden Seiten der gleichen Münze waren. Außerdem gab es zwei Michaels, den einen, von dem Stephen geglaubt hatte, er würde ihn kennen, und den anderen, den er jetzt erst kennengelernt hatte. Er hatte Michael nur durch Fotos und Zeitungsartikel gekannt, über seinen Charakter hatte er nichts gewusst, doch er war stolz darauf, Michael seinen Sohn nennen zu dürfen.
Michaels Freunde waren bereit, für ihn und für das, woran er glaubte, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, und das bewies nicht nur ein Vertrauen, wie es den wenigsten Menschen entgegengebracht wurde, es sprach auch Bände über den Menschen, der zu solch blinder Loyalität inspirierte. Und Michael setzte nicht nur für sie sein Leben aufs Spiel, sondern auch für Fremde, für Menschen, die er erst seit einer Woche kannte, für Menschen wie ihn selbst und für Susan, die nicht gerade den besten ersten Eindruck gemacht hatten. Michael riskierte sein Leben wegen einer Geschichte, die selbst Menschen, die ansonsten spirituell für alles offen waren, auf eine harte Probe stellte.
Das Geräusch eines Lastwagens durchbrach die Stille der Nacht.
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