Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Der Wagen war noch weit entfernt, kam aber näher. Die Männer konnten nichts sehen, aber der Lärm der Motoren reichte aus, jeden einzelnen in Alarmbereitschaft zu versetzen.
Stephen kniff die Augen zusammen, um zu erkennen, was sich jenseits der Rollfeldbefeuerung tat.
Aber der Lastwagen kam nie an.
Einer der Wachleute kam herübergerannt. »Gehen Sie lieber in Deckung«, sagte der Mann mit starkem italienischem Akzent und rannte an ihnen vorbei zum Verteilerkasten, der sich an der Seite des Hangars befand. Er öffnete den grauen Kasten, griff hinein und legte einen Schalter um. Die Welt um sie her wurde stockfinster.
Und dann, ohne jede Vorwarnung, fielen Schüsse. Sie kamen aus allen Richtungen. Es war lauter als alles, was Stephen je zuvor gehört hatte, und dröhnte ihm in den Ohren. Instinktiv warf er sich neben die Limousine auf den Boden. Um ihn her wurde hastig und in abgehacktem Befehlston gebrüllt. Das Gefecht schien Stunden zu dauern, war aber in weniger als einer Minute vorbei, dann wurde es totenstill. Stephen lag da, völlig konfus und in Panik; er wagte nicht zu sprechen, um nicht preiszugeben, wo er war. Er sah sich um, und seine Angst wurde von Zorn verdrängt. Er atmete tief durch, sammelte sich und stand langsam auf.
»Martin?«, flüsterte er. In dem ganzen Chaos hatte er nicht mitbekommen, wo sein Freund in Deckung gegangen war. Wie hatte er im Angesicht der Gefahr so selbstsüchtig sein können? »Martin?«
Stephen stand kaum, als er bereits den ersten Toten sah, keine fünf Meter von ihm entfernt. Der Bodyguard lag auf der Startbahn, den Kopf in einer Blutlache, die aussah wie ein Heiligenschein. Stephen wagte kaum zu atmen. Er war nicht sicher, ob er die Kugel, die jeden Moment aus der Dunkelheit kommen und sein Leben beenden konnte, überhaupt spüren würde.
Vorsichtig beugte er sich vor, nahm die Waffe des Bodyguards an sich und lief zur Außenseite des Hangars, wo er um Haaresbreite über einen weiteren Toten stolperte. Es war einer von Ziveras Männern; die Brust war von Kugeln durchsiebt.
Stephen rannte zum Sicherungskasten und legte den Schalter wieder um. Der Flugplatz wurde von gleißendem Licht erhellt. Auf der Startbahn lagen zwei weitere Leichen. Stephen hielt sich ganz am Rand im Schatten und lief am Rollfeld entlang. Er entdeckte acht Körper und überprüfte jeden einzelnen – nicht auf ein Lebenszeichen, sondern darauf, wer der Betreffende war. Er musste Martin finden. Am Tor blieb er schließlich stehen. Von Martin fehlte jede Spur, und von den Bodyguards war keiner mehr am Leben. Wieder kroch Furcht in ihm hoch.
»Martin!«, rief er verzweifelt, bekam aber keine Antwort.
Und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. So schnell er konnte, rannte er zurück zum Hangar, stürmte in die abgedunkelte Metallhütte und hechtete in den Jet. Er wusste es schon, bevor er es sah. Der Safe stand offen. Die Akten lagen verstreut auf dem Boden, eine der Waffen fehlte.
Und die goldene Schatulle war verschwunden.
Wie betäubt stand Stephen da. Er war allein. Martin war verschwunden. Vielleicht lag er tot irgendwo draußen in der Nacht.
Stephen griff in den Safe und nahm eine der beiden noch verbliebenen Pistolen sowie eine Schachtel Munition heraus. Irgendwie würde er es zurück auf das Gelände schaffen, von dem er vor nicht einmal vierundzwanzig Stunden geflüchtet war. Er musste Michael finden, bevor es zu spät war.
Stephen warf das Magazin der Neun-Millimeter aus und legte ein neues ein. Er wollte sich gerade auf den Weg machen, als er die kalte Mündung einer Waffe an der Schläfe spürte.
59.
M ichael, Simon und Busch spurteten durch das Waldstück, das sich unweit der Villa erstreckte. Simon hatte sich die Uniform des Wachmanns übergezogen, und in seinem linken Ohr steckte der Stöpsel des Funkgeräts. Sie trugen jeder zwei Pistolen, ein Gewehr und ein Messer; dazu hatte Simon noch die beiden Waffen, die sie dem Wachmann abgenommen hatten. Über Funk waren nur Belanglosigkeiten zu hören, nichts, was darauf schließen ließ, dass man sie entdeckt hatte. Trotz Michaels Protest hatte Simon den zweiten Wachmann über die Klippen ins Meer geworfen. Sie konnten sich nicht leisten, dass jemand seine Leiche fand; das hätte die feindliche Kavallerie auf den Plan gerufen.
Die Silhouette des gewaltigen, schlossähnlichen Gebäudes ragte über den Klippen auf und warf schwarze Schatten im Mondlicht. Michael musste immerzu an Susan denken, die gefangen war in diesem
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