Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
sein Vertrauter, sein Pressesprecher und seine rechte Hand und benutzte seine rednerischen Talente, um Yves’ Interpretation der Bibel und Gottes darzulegen.
Und Julian wurde für Yves sogar noch mehr.
Yves’ Tochter Charlotte war gerade mal neunzehn, als sie sich in Julian verliebte. Zuerst war sie betört von seinem attraktiven Gesicht, seinem strohblonden Haar und seinen kristallblauen Augen. Er besaß eine derart charismatische Ausstrahlung, dass niemand, der ihm begegnete, sich ihr entziehen konnte, auch Charlotte nicht. Doch es war viel mehr als körperliches Verlangen, das sie zu ihm hinzog, viel mehr als Lust. Er war brillant und besaß ein Gespür für das Christentum, wie sie es noch nie erlebt hatte; er kannte die Heilige Schrift auswendig, verstand ihre unterschwellige Bedeutung und besaß die Gabe, sie auf einfühlsame Weise zu interpretieren, was für Charlotte eine Inspiration war.
Es war eine Beziehung, die wuchs und reifte, Schritt für Schritt. Julian übte niemals Druck aus, ging nie auf Angriff. Es dauerte drei Monate, bis die beiden sich zum ersten Mal küssten, doch als sie es taten, wussten sie auf Anhieb, dass sie den Rest ihres Lebens miteinander verbringen würden.
Im Gegensatz zu Yves bereiste das Paar die moderne Welt und verbrachte die Flitterwochen damit, durch London, Paris, Monaco und Hongkong zu tingeln. Das Tageslicht bekamen sie nur selten zu Gesicht; meist lagen sie in inniger Umarmung in einem Gewirr aus Decken und Bettlaken. Charlotte hätte es nie für möglich gehalten, dass es eine solche Art von Liebe überhaupt gab. Sie wachte auf und sah, dass Julian sie anstarrte. Er versteckte kleine Geschenke in ihrer Handtasche und legte abends vor dem Schlafengehen Blumen auf ihr Kopfkissen. Er wusste im Voraus, was sie wollte und brauchte. Ihr Lieblingswein und ihr Lieblingskäse standen nach ihrer Massage auf dem Beistelltischchen bereit; die Schuhe, die sie einmal nur kurz angeschaut und in die sie sich im Vorübergehen verliebt hatte, standen in ihrem Kleiderschrank, umwickelt mit einer großen Schleife. An den Abenden machten sie sich mit unbekanntem Ziel auf den Weg, wo in Charlottes Lieblingsrestaurant dann ein Séparée auf sie wartete. Kaum waren sie mit dem Essen fertig, entführte er sie an einen Privatstrand, wo sie unter dem Sternenhimmel auf einem Meer aus Kissen und Decken im Sand lagen. Charlotte hatte die Liebe gefunden, sie hatte einen besten Freund gefunden – und einen Ehemann.
Und Yves fand einen Sohn.
Für ihre Gläubigen waren sie nicht nur das Dreigestirn aller religiösen Inspiration, sie waren zudem ein Beispiel dafür, dass Liebe und Geld, Gott und Wissenschaft als Einheit existieren und funktionieren konnten.
Und die Zahl ihrer Anhänger wuchs. Durch eine Veröffentlichung im Harvard-Katalog machte Julian die moderne Geschäftswelt auf seine fromme Welt aufmerksam. Innerhalb eines Jahres vervierfachten sie ihre Gemeinde und sahen sie in den folgenden zwei Jahren stetig weiterwachsen.
Doch damit ihre Kirche blühen und gedeihen konnte, brauchten sie eine stetige Einnahmequelle. Sie konnten schließlich nicht warten, bis ein Kollektenbeutel herumgereicht wurde. Und so wurden sie – anders als andere christliche Gemeinschaften – gebührenpflichtig. So geschmacklos es auch klang, Religion war für sie ein Geschäftszweig, der Bilanzaufstellungen erforderlich machte, um in der modernen Welt bestehen zu können. Der enorme Reichtum der katholischen Kirche war ja auch nicht durch göttliche Intervention entstanden. Jüdische Synagogen verlangten Beiträge von ihren Mitgliedern; Baptisten- und Methodistengemeinden versuchten es mit sanfter Überredungskunst, um Gelder aus ihren Gemeindemitgliedern herauszupressen; wenn nötig redeten sie ihnen Schuldgefühle ein.
Selbstverständlich gingen Yves und Julian das Ganze subtil an und waren damit sehr erfolgreich. Die große Mehrheit ihrer Anhänger war hochgebildet; manche zählten überdies zu den reichsten Menschen der Welt. Die zehntausend Dollar Jahresbeitrag stellten für die inzwischen hundertfünfzigtausend Mitglieder kaum eine Belastung dar. Nur wenige Jahre, nachdem Julian zu ihnen gestoßen war, hatte sich Yves’ Zweihundert-Millionen-Investment auf geschätzte drei Milliarden Dollar vergrößert.
Auf Julians Drängen kehrte Yves zur Medizin zurück und ließ auf dem Gelände die Forschungslaboratorien errichten. Er und Julian begründeten diesen Schritt damit, dass jeder seine von Gott
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