Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
ihnen befanden sich große Rohrleitungen für Wasserdampf, Strom und sehr wahrscheinlich für die Vernetzung der versteckten Abhörgeräte, die noch aus den Zeiten des KGB stammten.
Fetisow blickte auf eine kleine, von Hand gezeichnete Landkarte; die roten kyrillischen Schriftzeichen waren bereits verschmiert. Er hatte sich die Karte von einer der Tunnelratten beschafft, wobei der Verkäufer den Handel mit seinem Leben bezahlt hatte.
Michael hatte Fetisow eine Liste mit Dingen gegeben, die er benötigte, und der Russe hatte Wort gehalten und alles besorgt, ohne Ausnahme. Jeder von ihnen trug einen Rucksack und verfügte über die erforderliche Ausrüstung, um in Höhlen hinunterzusteigen, zu tauchen und andere unerwartete Dinge tun zu müssen.
Fetisow hinterfragte nichts von dem, was Michael benötigte; er erschien einfach um fünf Uhr in der Frühe mit drei Rucksäcken und der Karte, die ihnen den Weg zum Zusammenfluss der sieben Kanäle zeigte. Michael seinerseits hinterfragte nicht, wie Fetisow diese Dinge beschafft hatte, oder wie das Blut an die linke obere Ecke der mit der Hand gezeichneten Karte geraten war.
Fetisow, Michael und Busch waren kilometerweit durch Wolken aus Dampf und sprühendem Wasser gelaufen, das aus defekten Rohren strömte, während ein trockener Wind aus den Lüftungsschächten wehte. Es dauerte eine Stunde, obwohl Michael jedes Zeitgefühl verloren hatte. Sie waren an zahllosen Menschengruppen vorbeigekommen, die sich in den Schatten versteckt gehalten hatten, um von dort abzuschätzen, ob es sich bei den drei Eindringlingen um Freunde oder Feinde handelte. Manche von ihnen trugen nur wenig mehr am Leib als die Lumpen und den Dreck, die ihre Körper bedeckte, während andere in teure Garderobe gehüllt waren, die aussah, als wäre sie gerade erst ein paar Stunden alt. Während einige dieser Kanalratten den Eindruck erweckten, als wären sie Verrückte, waren die meisten geistig auf der Höhe; viele wirkten sogar gebildet. Doch eines war bei allen gleich: Sie alle waren auf der Hut, als müssten sie jede Sekunde die Flucht ergreifen, oder als würden sie jeden Augenblick die Ankunft von Göttern oder Dämonen erwarten. Inzwischen aber waren die drei tief in das Labyrinth vorgedrungen und allein zwischen den dunklen Kammern und Gängen, den Tunnels und Abbiegungen, den Leitern und Treppen.
»Das hier ist die Zarengrotte, wo die sieben Kanäle sich kreuzen. Wir befinden uns genau außerhalb der Südwestmauer des Kremls«, sagte Fetisow und schob sich das nachtschwarze Haar aus der Stirn. »Alle Tunnelratten wissen davon. Sogar die Sowjets haben davon gewusst, bereits in den Fünfzigerjahren, aber sie haben es nie bis zur Liberia geschafft, nur in Sackgassen. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu sagen, wo Sie Ihre Karte haben?«
Michael studierte aufmerksam ein sechzig mal neunzig Zentimeter großes Stück Papier. Es war eine Landkarte, aber nicht die Karte, die Genevieve für ihn zurückgelassen hatte. Vermutlich war die Karte wertvoller als Gold, denn es war eine detaillierte Darstellung einer unterirdischen Welt, die unermesslich viel größere Schätze bar als die Stadt über ihnen. Michael hatte ausschließlich das, was er brauchte, auf das große Blatt Papier übertragen, das er jetzt in den Händen hielt.
»Ja«, gab er schließlich zur Antwort. Niemals sollte Fetisow etwas über die Karte erfahren. Michael studierte die sieben Kanäle, die in sieben verschiedene Tunnel flossen, und schenkte dabei dem dritten von rechts, dem finstersten von allen, besondere Aufmerksamkeit. »Okay. Diese Grotte hier ist unser Anfangspunkt. Und das da ist unser Ausgang.« Er zeigte auf den dritten Tunnel.
»Wie sollen wir die Frau da rausbekommen, wenn sie unter Beruhigungsmitteln steht?«, fragte Fetisow.
»Das überlassen Sie uns. Tun Sie nur, was man Ihnen sagt«, erwiderte Michael. Er erhaschte einen letzten Blick auf die große Grotte, schaute auf seinen Kompass, führte die Gruppe schweigend weiter und übernahm Fetisows Anführerrolle.
»Wissen Sie auch wirklich, wohin Sie gehen?«, fragte Fetisow.
Michael griff in die Seitentasche seines Rucksacks und zog eine Dose Sprühfarbe heraus. »Nein, aber ich hoffe, dass derjenige, der diese Landkarte gezeichnet hat, sich seiner Sache sicher war.«
Michael sprühte einen orangefarbenen Punkt an die Wand.
»Wozu soll das gut sein?«, fragte Fetisow.
»Brotkrümel«, entgegnete Michael und markierte alle sechs, sieben Meter den Weg, den sie
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