Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
Vom Netzwerk:
Nervosität, » gehen wir jetzt ins Wasser? «
    Die Entscheidung war doch schwerer, als sie gedacht hatte. Irene hatte nicht vor zu ertrinken. Vielleicht hätte sie sich eine Tauchausrüstung mieten sollen. Irgendwo an der Küste hätte man das sicher gekonnt. Nur hatte sie nie gelernt, damit umzugehen. Und erst einen Tauchkurs zu absolvieren, um in eine heilige Quelle zu springen und nicht mehr aufzutauchen, schien ihr absurd.
    Sie blickte die beiden Männer an, die sie erst so kurz kannte und denen sie doch schon so nahe war.
    » Deine Magie « , sagte Perjanu jetzt. » Warum versuchst du nicht, mit ihrer Hilfe etwas zu ergründen? Du hast doch gesagt, du befasst dich mit menschlicher Magie. Darüber weiß ich nichts. Wenn Menschen zu uns kamen, hatten sie immer Angst vor Magie. Anwenden konnten sie sie nicht. «
    » Meine Magie ist … unbeständig. Eher gefühlt als angewandt. Zusammengewürfelt aus verschiedenen Theorien und Überlieferungen, aus verschiedenen Kulturkreisen und Völkern und vielleicht auch aus einem guten Stück Wunschdenken. Ich kann keine Ergebnisse zutage fördern, die sofort etwas sichtbar verändern würden. Vielleicht ist das, was ich mache, gar nichts wert. «
    Da hatte sie endlich mal jemanden, der an die Möglichkeit von Magie glaubte, und sie genierte sich für das Wissen, das sie sich angeeignet hatte, als wäre es nichts. Im Vergleich zu diesen Wesen war ihr Wissen vermutlich genau das – nämlich nichts.
    » Ich kann eher den Glauben an ein Ergebnis vermitteln, als ein Ergebnis erzwingen « , fügte sie hinzu.
    » Der Glaube an ein Ergebnis ist eine Grundvoraussetzung für jedes Gelingen, magisch oder nicht magisch « , argumentierte Perjanu. Er war ein solcher Philosoph. » Der Satz ›das kann ich nicht‹ löst genau das aus: dass du es nicht kannst. Also solltest du ihn nicht denken. «
    Sie lächelte.
    » Das ist Psychologie und nicht Magie « , gab sie zu bedenken.
    » Zwei Enden ein und desselben Stocks « , gab Perjanu zurück.
    » Jetzt mach etwas mit dem Stock! « , forderte Esteron sie auf, ohne den Wasserlauf aus den Augen zu lassen. Die winzigen Strudel darin schienen beinahe ein Muster zu formen.
    » Ihr werdet mich auslachen … «
    » Das werden wir nicht. «
    Sie nahm ihren Rucksack ab und begann, darin herumzuwühlen. Ein Sturmfeuerzeug. Ein Beutelchen mit ein paar Teelichtern. Campinggeschirr. Etwas Räucherwerk. Ein Pendel hatte sie umhängen.
    Irene atmete tief ein. Die Situation war ihr wirklich peinlich – als müsste sie nach drei Unterrichtsstunden ein Konzert vor einem Maestro geben. Perjanu sah ihr interessiert zu. Sie vermied es, ihn anzusehen, wollte keinen Spott in seinen Zügen finden.
    Was tat sie hier? Sie wusste es nicht genau. Vielleicht hatte sie es nie ganz genau gewusst. Sie blickte ratlos vor sich hin.
    Mit einem Mal stand Esteron hinter ihr, legte ihr die Hände auf die Schultern und zog Irene an sich.
    » Tu es. Zweifle nicht. Wir stehen zu dir. «
    Sie drehte sich halb und küsste ihn auf den Mund. Dann löste sie sich, kniete nieder, brannte die Räucherstäbchen an, entzündete die Kerze, die sie in einen Camping-Plastiknapf gestellt hatte. Sie trug die Flamme um die Quelle, stieg mit ihr über den Bach, wiederholte ihren Weg, konzentrierte sich auf Una, auf den Weg, den sie vielleicht genommen hatte, vergaß den Spott, den sie befürchtet hatte.
    Sie summte leise, während sie die Flamme noch mehrere Male um die Quelle trug, dann setzte sie den Napf direkt auf die Wasseroberfläche, wo er kreiselnd schwamm. Sie erwartete, dass das provisorische Behältnis nun mit der Strömung über den Rand der Quelle fortgeschwemmt werden würde, doch es blieb, wo es war, drehte sich mittig um sich selbst, während die kleine Flamme munter flackerte.
    Und jetzt? , dachte Irene. Sie wagte kaum aufzusehen, blickte nur weiter unverwandt auf das kleine Licht. Der Duft des Weihrauchs hatte etwas Heimeliges. Die Wärme des Sommers schien die Intensität des Augenblicks noch zu verstärken. Es war still; stiller als ihr das bislang aufgefallen war. Die beiden Männer schwiegen, doch auch sonst war, außer dem Plätschern des Wassers, nichts zu hören, kein Vogel, kein Auto, nichts.
    Ganz langsam spürte sie, wie ihr eine unerklärliche Kälte den Rücken hinablief. Sie fühlte sich mit einem Mal nicht mehr wohl und wollte gehen.
    Nur schnell weg.
    Das Wasser begann lauter zu rauschen. Dann kippte die Kerze und erlosch, die Fluten teilten sich, und etwas

Weitere Kostenlose Bücher