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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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können, ohne sich über den Weg zu laufen. Dass er bisher aber gar niemandem begegnet war, erstaunte ihn. Vielleicht sollte er dankbar dafür sein, denn er wusste nicht so recht, wen außer Una er hier gerne treffen würde.
    Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Gang, anders als der Kerker, nicht staubig war. Das ließ nur den Schluss zu, dass hier jemand für Sauberkeit sorgte, der die Tür zum Kerker nie hatte öffnen können. Irgendwer war hier. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Am liebsten hätte er auf der Stelle und ganz allein eine Hörung vorgenommen, doch das hätte ihn den Rest seiner magischen Kraft gekostet, und ohne Una konnte er sie nicht ersetzen.
    Die Erinnerung an den Raum mit den toten Musikern stand ihm deutlich vor Augen. Konnte man Menschen wirklich zum Singen und Musizieren zwingen, auch wenn sie dabei starben? Vielleicht starb man ja auch nicht gleich. Vielleicht sang und spielte man viele Jahre lang, bis es so weit war? Es wäre unklug von den Mardoryx, alle ihre Barden auf einmal bis zum Tod zu leeren. Denn was hatte man dann noch in Reserve? Nichts. Ein toter Barde machte keine Musik.
    Er schüttelte den Kopf, um die düsteren Gedanken zu vertreiben. Seine lebende Bardin war noch immer verschwunden. Warum konnte sie ihm nicht einfach vertrauen? Was immer er getan hatte, seit er ihr begegnet war, hatte ihrem Schutz dienen sollen. Und dennoch glaubte sie jetzt, er wäre eine Art Kannibale, der ihr die Seele aus dem Leib saugen wollte. Dabei war seine Seele mehr in Gefahr als ihre.
    Das Scharren hinter ihm wurde lauter. Er wurde eindeutig verfolgt, doch nun konnte er auch von vorne etwas hören. Stimmen näherten sich.
    Kanura sah sich blitzschnell um. Ein paar Schritte vor ihm war auf der rechten Seite des Gangs eine weitere Doppeltür. Er schlich zu ihr und besah sie sich genauer. Sie war wirklich nicht sehr viel anders als die in Kerr-Dywwen, hatte eine Klinke für Menschenhände und weit darüber einen verzierten runden Kreis auf Hornhöhe. Eine magische Berührung mit dem Horn würde die Tür ebenso öffnen wie ein Schlüssel.
    Aber er hatte kein Horn mehr. Er war ein Nichts, weniger als ein Mensch. Verzweiflung goss sich in seine Seele – zur Unzeit. Es stand ihm nicht zu, sich jetzt seiner Hoffnungslosigkeit zu ergeben. Er mochte sein Horn verloren haben, doch er trug immer noch Verantwortung: für Una.
    Darüber hinaus hatte er auch noch Feinde. Und die waren auf dem Weg zu ihm, schon fast da, aus beiden Richtungen.
    Er stützte sich auf die Klinke und sprang hoch. Noch im Sprung versuchte er, seine Schläfe mit dem Muttermal an den Kreis zu pressen. Mit einem dumpfen Geräusch schlug sein Kopf gegen das Holz. Er hatte nicht getroffen.
    Die Stimmen verstummten. Offenbar war er gehört worden. Nun war jede Vorsicht egal. Er sprang noch einmal hoch. Wieder schlug er mit aller Kraft den Kopf gegen das Holz. Die Tür ging auf, noch während er wieder landete. Er schlüpfte eilig durch den Spalt und schloss sie leise hinter sich – ein sinnloses Unterfangen, wenn seine Verfolger das von ihm verursachte Geräusch erkannt hatten. Rasch sah er sich um. Der kleine Raum war leer. Nicht einmal Möbel gab es hier, nur ein paar Teppiche bedeckten den Boden und die Wände. Er legte das Ohr an die Tür und lauschte. Draußen war es plötzlich ganz still. Vielleicht war die Tür zu dick. Vielleicht war niemand mehr da. Oder man schlich sich bereits an, würde demnächst die Tür aufreißen und ihn wieder gefangen nehmen. Die Kentauren waren sicher noch nicht fort. Vermutlich suchten sie schon nach ihm und Una. Vielleicht hatten sie seine Begleiterin schon wieder erwischt.
    Er konzentrierte all seine Sinne auf den Gang vor der Tür, doch noch immer war es still. Kanura traute dem Frieden nicht und verharrte reglos.
    Dann kam sie, die Stimme.
    » Was tust du hier? « , erklang ein ärgerlicher Bariton. » Dies ist nicht dein Heim! «
    Kanura erstarrte, und während er noch fieberhaft über eine passende Antwort nachdachte, stellte sich heraus, dass nicht er gemeint gewesen war.
    » Nein « , lautete die knarzige Antwort.
    » Verschwinde! «
    » Nein « , hieß es erneut.
    » Du hast hier nichts zu suchen. Sto-Nuyamen gehört dir nicht. «
    » Euch auch nicht. «
    Hufe traten nach etwas. Jemand schrie. Es tat einen Schlag an der Tür, als etwas dagegengeschleudert wurde. Entschlossen drückte Kanura dagegen in der Hoffnung, sie würde nicht auffliegen. Sie bebte in den Angeln.
    »

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