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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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vertraut. Sie hatte sogar mit ihm geschlafen – das ultimative Vertrauen, das man einem Menschen entgegenbringen konnte. Nun hatte er Una umgebracht. Einfach so.
    Nichts von dem, was er ihr erzählt hatte, war wahr. Alles gelogen, und sie war darauf hereingefallen. Jetzt war Una tot. Nicht einmal ihren Leichnam konnte man noch im Wasser sehen.
    Jemand zog sie von hinten von dem großen, dunklen Mann fort. Blut lief ihm übers Gesicht, dort, wo sie ihn gekratzt hatte.
    » Das war sie nicht « , sagte eine Stimme, die wie durch eine Mauer von Schmerz zu ihr drang. » Irene. Das war nicht Una! «
    » Una! « , stieß Irene hervor, unfähig, andere Worte zu finden.
    Esteron wischte sich bedächtig das Gesicht ab und blickte etwas irritiert auf sein Blut. Was geschah der Legende nach mit Menschen, die das Blut von Einhörnern vergossen? Irene wusste es nicht. Und was sie wusste, war vermutlich ohnehin falsch. Diese beiden Einhörner vor ihr hier waren keine hehren Friedenssymbole, sondern Mörder. Von hinten hatte Perjanu sie mit den Armen umschlungen und hielt sie fest. Wie ungeheuer stark sie waren! Ungeheuer. Das Wort blieb in Irenes Gedanken stecken. Sie hatte sich mit Ungeheuern eingelassen. Mit Chimären, Monstern. Und sie konnte sich nicht wehren. Sie konnte sich kaum rühren.
    Esteron trat ganz nah an sie heran. Er nahm ihren Kopf in seine Hände. Dann beugte er sich zu ihr hinunter und legte sein Gesicht an ihres.
    » Das war schrecklich. Es tut mir leid. Aber das war nicht Una. Die Uruschge können die Gestalt wechseln, um ihre Opfer zu verwirren. «
    » Una …! «
    » Das war nicht Una. Du musst mir glauben, Irene. «
    Seine Schläfe schien geradezu heiß an ihrer zu brennen.
    » Irene! « , flüsterte er. » Das würde ich nicht tun. Das würde ich dir nicht antun. Und auch mir nicht. Ich würde keinen Menschen töten. Kein junges Mädchen. Schon gar nicht deine Tochter. Wir sind keine Mörder. «
    Sie stand eingezwängt zwischen den beiden Männern. Beide hielten sie fest umschlossen. Ihr Griff strahlte eine Stärke aus, die über körperliche Kraft hinausging. Sie spürte die Macht dieser Männer, doch die beeindruckte sie nicht. Macht war nichts.
    Stärke hingegen schon. Es war die innere Stärke, die Irene geblendet hatte. Doch vielleicht hatte sie sich getäuscht. Vielleicht war es doch nur hohle Macht, innerlich schwach und böse.
    Sie wollte ihnen glauben. Doch wie konnte sie ihre eigenen Augen Lügen strafen? Wie konnte sie zwei wildfremden Halbpferden mehr trauen als ihren eigenen Sinnen?
    » Ich habe es doch gesehen … « , flüsterte sie.
    » Ich weiß, was du gesehen hast. Ich kann nur auf dein Vertrauen bauen. Du hast nicht die Erfahrung und auch nicht die magischen Fähigkeiten, die Uruschge mit ihrem Blendwerk zu durchschauen. Vielleicht könntest du es mit deinem Talent lernen, so du Zeit dazu hättest. Doch die hätte das Unwesen dir nie gegeben. Sie sind erschreckend schnell. «
    Irene merkte, wie ihr Zorn sich in Entsetzen wandelte. Sie begann zu zittern. Die beiden Einhörner hielten sie noch fester.
    » Das war nicht Una « , wiederholte Esteron. » Diese Überzeugung musst du in deiner Seele verankern. Darauf musst du dein Denken und Fühlen bauen. Das war nicht Una. Daran darfst du nicht zweifeln. «
    » Und warum sah sie aus wie Una? Nicht ähnlich, nicht ›ein bisschen so wie Una‹, sondern identisch. Genau. Bis hin zum T-Shirt. Das … war meine Tochter. Meine Tochter! «
    Die Männer schwiegen.
    Irene versuchte, sich von ihnen zu lösen, doch noch ließen sie sie nicht los.
    » Ich will eine Antwort! « , stieß sie hervor.
    » Ich wünschte, ich hätte eine « , sagte Esteron und rieb seine Wange an ihrer. » Perjanu, Weisester meiner Ratgeber, weißt du es? «
    Perjanus Gesicht lag an Irenes Hinterkopf gedrückt. Er bewegte sich leicht, als er antwortete.
    » Es gibt ein Lied, das eine Begegnung mit einem die Blicke täuschenden Uruschge beschreibt. Der Held sucht darin seine Liebste und findet ein Wesen, das ganz genauso aussieht, aber nicht seine Liebste ist:
    Es sang wie seine Liebe,
    sah aus wie seine Freude
    und lächelte ihr Lächeln.
    Doch war es nur ein Unhold,
    das Lächeln war gestohlen,
    die Stimme war geraubt.
    Es war der Fluch des Wassers,
    das Raubtier aus der Quelle,
    die Lüge für das Auge.
    Doch Aleranu wusste,
    von wem die Schönheit stammte,
    die ihn allhier betrog.
    Er stieß sein Horn ins Trugbild
    und trauerte um Wahrheit
    und sie, die er verlor.
    Denn

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