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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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sie einstürmten und sie vor lauter Möglichkeiten nicht mehr sagen konnte, was sie wollte. Die Wirklichkeit zerflog wie eine Pusteblume.
    Sie schrie vor Frustration.
    Dann vernahm sie etwas Neues, einen Klang, der sich mit dem dickbreiigen Lied biss. Klar und rhythmisch schnitt eine Melodie durch Eryennis’ Wahrnehmung. Sie schien ihr direkt in die Füße zu fahren. Eine verschüttete Erinnerung tauchte auf – Eryennis tanzte mit nackten Füßen auf einer grünen Weide, ließ sich wechselweise von Kanura und Edoryas im Kreis herumwirbeln, lachte, liebte Edoryas, wollte Kanura, wollte so vieles. Doch nur der Tanz war wichtig, beschwingt, sinnlich, mal im Arm des einen, dann im Arm des anderen. Sie wollte beide. Sie hatte schon immer alles gewollt. Und am besten noch mehr.
    Kanura hatte das nie begriffen.
    Sie stürzte sich nach vorn, mitten hinein in die klebrigen Fäden, die nach ihr griffen, sie fingen und hielten. Wie eine Fliege hing sie fest im Netz, und je mehr sie sich wehrte, desto fester zog sich das leimpelzige Netz um sie zusammen.
    Edoryas war tot. So viel Schuld – war es ihre?
    Und Kanura war verloren. Sie konnte seine Existenz nicht mehr fühlen, nicht mit ihrem gesamten ungeheuren Tyrrfholyn-Talent. Doch die fremde Tanzmusik ließ sie an jenen Sommerabend denken, als sie sich noch nicht hatte entscheiden müssen und nicht im Gespinst der Konsequenzen festhing.
    Sie schrie noch einmal, diesmal voll wilder Entschlossenheit. Sie war eine Tyrrfholyn, und keine Spinnweben, egal, wie dick und klebrig, würden sie aufhalten. Sie sog die fremde Tanzweise in sich auf, verwob sie mit ihrer eigenen Macht, die wie schneidendes Feuer aus ihrer Schläfe drang. Plötzlich flackerten die Spinnweben auf und ließen sie mitten in den Flammen stehen. Rasender Schmerz sengte sich in ihre Haut. Ihre Haare loderten. Wasser, dachte sie. Sie brauchte Wasser, bevor sie zu Asche zerfiel. Bis in die Knochen brannte sich der flammende Feind, und immer noch weiter, als wäre er auf der hungrigen Suche nach ihrer Seele, denn sie hatte gefehlt: sie hatte gefühlt. Panisch versuchte sie, durch die züngelnden, brennenden Spinnweben voranzudrängen. Ein Zurück schien nicht mehr möglich, auch nicht mehr denkbar. Hinter ihr loderten die Flammen gerade so vernichtend wie vor ihr. Also weiter nach vorn!
    Der Gang, der als Einziger aus ihrer Höhle führte, war länger als gedacht und dicht verwoben. Sie konnte nicht sehen, wie weit er führte – vielleicht endlos durch den Berg? Er brannte nun auf ganzer Länge, und sie rannte durch die Flammen wie ein Teil von ihnen, wusste nicht mehr, ob sie längst verkohlt sein würde, bevor sie das Ende des Feuers erreichte.
    Wasser!, wünschte sie erneut und fand in sich den Nachhall dieses Wunsches wieder. Ein Echo. Nicht nur sie sehnte sich danach. Nicht nur sie allein war hier gefangen. Da waren noch mehr, die im Netz gesponnener Pläne festhingen und nach Wasser und Rettung lechzten.
    Sie verstand, dass die anderen Gefangenen es nie geschafft hatten. Sie hatten sich nicht befreien können, dörrten im Flackern fremder Macht, ohne fliehen zu können. Und Eryennis würde es auch nicht gelingen.
    Ihre Haut kräuselte sich schwarz. Sie sah nicht hin. Sie blickte nicht auf sich und nicht in sich – nur weiter, getragen von Verzweiflung und Schmerz und immer auch von Schuld. Schnell, solange ihre Beine sie noch trugen, ihre Füße noch nicht verkohlt waren, ihre Augen noch nicht in der Hitze geschmolzen.
    Immer weiter, so schnell wie nur möglich weiter strebte sie voran und versprühte ihre Macht in dem Versuch, sich gegen die Flammen und den Schmerz zu schützen. Irgendwann hatte sie einmal viel Macht besessen – wo war die jetzt? Und irgendwann musste diese Hölle ein Ende haben. Dann würde sie endlich das Richtige tun, wenn sie sich nur erinnern könnte, was genau das war.

Kapitel 77
    Die beiden Kämpfenden fuhren herum. Una kauerte sich noch tiefer auf den Boden, obwohl sie wusste, dass es nun zu spät war, sich noch zu verstecken.
    Ein Schrei ließ sie vollends erstarren. Der große Schrat hatte sich ablenken lassen und so dem Kentauren die Möglichkeit gegeben, einen seiner Dolche tief in das struppige Fleisch des Gegners zu senken. Una konnte nicht anders, als angewidert zusehen. Sie war vermutlich längst entdeckt. Sie konnte nur hoffen, dass die beiden sich gegenseitig umbringen würden, bevor sie sie angingen. Doch ihre Hoffnung war nicht sehr groß.
    Sie versuchte, auf die Beine

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