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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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höchsteigene Schöpfung. Sie hatten etwas geschaffen aus nichts als dem Willen und Können der Einhörner, einem überflüssigen Menschenweibchen und ein paar Höhlenkriechern, die als Einzige die Trutzberge bewohnt hatten. Sie erkannten die eigenwillige Perfektion ihrer Schöpfung und blickten ihr neugierig, aber auch mit einem gewissen Stolz entgegen.
    Sie hatten SIE mit Absicht und Sorgfalt geschaffen. Wann war das gewesen? Hatte SIE etwas erreicht? Und warum machte SIE einen so durchaus unabhängigen Eindruck? SIE war nur ein Werkzeug. Mehr war SIE nie gewesen.
    Schemenhafte Erinnerungen schwebten durch die Sinne der Mardoryx, Sinne, die zu lange geschlafen hatten. Fasziniert starrten die Schöpfer auf ihr Geschöpf, das an seinem Faden anmutig zu tanzen schien. Erst jetzt sah man, dass es auch Schultern hatte, zwei weiße Arme, zarte Hände. Ein Mund öffnete sich in dem blassen Gesicht.
    Der Faden wurde zur Saite, schwang in einem Ton, und SIE sang. IHR Gesang blendete sich direkt in das Lied der Mardoryx ein. Es schlang sich um die Klänge, webte sich in die Harmonien, zurrte sie fest.
    Mit einer gewissen Begeisterung sangen die Einhörner ihrer eigenen Schöpfung entgegen, integrierten deren Musik. Oder war es umgekehrt?
    » Halt! « , schrie einer der Mardoryx, doch schon war es zu spät. Ihr Gesang, der eben noch ihre Macht manifestiert hatte, war bereits mit der Kreatur verwoben.
    Langsam, Kralle um Kralle, kletterte das sonderbare Wesen an ihrer Klangsaite wieder empor. Und zog mit sich, was es kriegen konnte.

Kapitel 89
    Woran es lag, konnte Irene nicht sagen. Doch der schwarze Weiher zeigte nun öfter ein Bild, das nicht sofort wieder verschwand. Vielleicht hielt sie es mit der Intensität ihrer eigenen Verzweiflung. Vielleicht waren aber auch ganz andere Kräfte am Werk.
    Sie hatte Una gesehen. Una hatte gelebt. Die Freude darüber hatte Irene neue Kraft gegeben weiterzuspielen, obgleich sie inzwischen Blasen an den Fingern hatte.
    Manchmal saß sie auf dem harten Stein, manchmal kniete sie. Die feuchte Kälte der Höhle kroch ihr in die Knochen. Bisweilen stand sie auf und ging an dem Weiher entlang, drei Schritte vor, drei Schritte zurück. Immer zwischen den zwei Tropfsteinsäulen, die die Grenze ihrer Welt geworden waren. Doch sie ließ das Gewässer nicht aus den Augen.
    In einem gleißenden Strang strahlender Fäden hatte sie Una gesehen, den jungen Tyrrfholyn in den Armen. Ein seltsames Phänomen hatte ihre Tochter lang gestreckt, nach oben gezogen durch die Fasern eines Energiegewirrs, das dem Himmel entgegenzuwachsen schien. Dünn und transparent hatte Una dabei ausgesehen; zu Energie zerschmolzen und nach oben gezogen wie ein nicht enden wollendes Gummiband, das man durch ein System von Adern saugte.
    Irene hatte geschrien. Das konnte Una nicht überlebt haben, dachte sie und spielte, als würde der Klang ihrer Musik ihr irgendwie helfen können. Eine Weile sah sie noch den Saal mit den ruhenden Einhornkörpern, sah das graue Blut eines riesigen Pelzwesens sich im Zentrum des Raumes ausbreiten, bis das Wesen selbst zu nichts zerplatzte.
    Schon war der Weiher wieder schwarz. Geblieben war nur der Eindruck des Verschwindens von Una, eines Verschwindens, das so unverständlich wie unheimlich war.
    Macha und ihren Helden hatte sie ein- oder zweimal gesehen. Sie standen abseits einer Schlacht und blickten mit zynischer Miene auf das Treiben, ohne sich zu beteiligen. Doch sie schienen Spaß zu haben. Dann wieder schritten sie durch dunkle Gänge, als suchten sie dort etwas – einen Verbündeten vielleicht?
    Als Irene Una wiedersah, schrie sie fast vor Erleichterung. Sie lebte. Sie liebte. Und Irene hatte ganz gewiss nicht im Liebesleben ihrer Tochter herumspionieren wollen. Sie war froh, dass sie eins hatte. Blitzschnell wandte Irene den Blick ab.
    Una war am Leben. Und wenn sie außerdem noch Spaß mit einem Einhorn hatte, dann konnte alles nicht so schlimm sein, oder?
    Oder?
    Schon war das Bild wieder fort. Irene spielte weiter. Die Zeit verrann.
    Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als sie ein Wesen die Gänge entlangeilen sah wie einen bösen Schatten. Kaum war es zu erkennen. Es bewegte sich nicht wie ein Mensch. Eine Kreatur aus Dunkelheit. Asche und Schatten mit einer Aura aus Düsternis. War das der Feind?
    Und wieso dachte sie an nur einen Feind, statt an viele? Sie hatte doch bereits gesehen, dass hier mehr als nur einer kämpfte.
    Das Bild zur Waldlichtung im Schatten der

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