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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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explodieren. Sie merkte, dass ihr Tränen über die Wangen rannen.
    Doch sie spürte die Verbindung zu Kanura und die Verbindung zu einer weitaus mächtigeren Kraft. Sie hingen zusammen, konnten sich nicht mehr lösen. Sie sang, weil sie es so entschieden hatte, und könnte doch nicht aufhören, so sie wollte. Die Musik strömte aus ihr heraus wie ein Wasserfall, für dessen Tropfen es kein Zurück nach oben gab. Sie verstand das Schicksal der Mardoryx-Sklaven so gut wie noch nie und wünschte, sie hätte das Schweigen gewählt, als man es ihr angeboten hatte.
    In diesem Moment begann der brennende Stein aller Schwerkraft zum Trotz an den Wänden des Ganges nach oben zu fließen. Rotglühende Tropfen strebten zäh aufwärts, lodernde Schlieren zogen sich widerwillig nach oben, formten einen lodernden Bogengang. Die Luft war ein einziges Glühen. Hier einzuatmen würde einem die Lungen augenblicklich verkohlen.
    » Jetzt! « , rief die Stimme. » Schnell! «
    Kanura ließ ihr Gesicht los, und Unas letzte Note wandelte sich zum Schrei.
    » Nein! Nicht! « , schrie sie. Doch er packte sie nur, warf sie sich über die Schulter und rannte gebückt los, während das Inferno direkt über ihnen tobte. Gleich würde es auf sie herunterprasseln, um sie in Flammen aufgehen zu lassen. Nicht einmal wehren konnte sich Una. Jede Bewegung würde sie dem Flammentod näherbringen. So beschränkte sie sich auf lautes Kreischen, während sie spürte, wie ihre Haare angesengt wurden und unerträgliche Hitze sich in ihre Haut brannte. Der Rucksack auf ihrem Rücken würde sie nur kurz schützen und dann zur lodernden Last werden.
    Beißender Rauch ließ ihre Augen tränen, und sie kniff sie entsetzt zusammen, blinzelte aus tränenden Augenschlitzen, voller Angst, ihre Augäpfel könnten Feuer fangen. Ihr Schreien hatte sich in ein banges Wimmern verwandelt, wobei sie versuchte, den Mund geschlossen zu halten.
    Der Flammentod lauerte direkt über ihr. Wenn sie sich bewegte, würde sie brennen. Wenn Kanura einen einzigen falschen Schritt machte oder irgendwo anstieß, würde der flüssige Stein ihr das Fleisch in Sekundenbruchteilen von den Knochen sengen.
    Sie konnte nicht erkennen, was vor ihnen war, konnte aus ihrer Position nur sehen, wie die Höhle hinter ihr im Flimmern der Hitze verschwand. Kanura lief auf seine liebste Erynennis zu, die Luft wurde rot. Eine ausgelaugte Bardin würde niemand mehr brauchen.
    Sie war nur ein Mensch. Menschen waren zerbrechlich. Sie starben so schnell. Das hatte er gesagt. Und jetzt hatte er ja seine Eryennis.
    » Kanura … « , flüsterte sie, bevor es um sie herum schwarz wurde.

Kapitel 91
    SIE hatte sich Zeit genommen. So hatte SIE immer Zeit gehabt. Doch nun wurde sie IHR knapp, die Zeit.
    SIE hatte geahnt, dass von dem jungen Tyrrfholynhengst nur Verwirrung ausgehen konnte. Die Einhornstute, die so gern von ihm geliebt worden wäre, hatte den Spiegel seiner chaotisch-frischen Seele in sich getragen, zusammen mit der Enttäuschung darüber, dass er ihr nicht sein Reich zu Füßen gelegt hatte. Ihr, der Schönen, der Klugen, der Ahnungsreichen, der überaus Talentierten, der so Besonderen.
    Vor lauter überbordender Begabung hatte sie nicht gesehen, dass der junge Hengst nicht an Macht dachte. Er verstand nicht einmal, dass das, was sein natürliches Erbrecht war, etwas sein mochte, was andere mühsam und emsig erstrebten. Er hatte ihren Eifer gar nicht wahrgenommen. Spaß hatte er haben wollen. Nun, den hatte er ja auch mit ihr gehabt.
    Ihn hätten die unermüdlichen Uruschge als Erstes töten sollen. Sie hatten sich geirrt. Sie waren tödlich, doch nicht zuverlässig.
    Jetzt hastete SIE zurück, an IHRER Saite entlang hoch und höher, weit und weiter, vom Ort zum Unort. Ein neues ICH breitete sich in IHR aus. SIE begriff es und lachte klirrend. Es war doch alles zu etwas gut.
    SIE war einst ein Es gewesen. Ein Felsfresser, ein kribbelndes, krabbelndes, vielbeiniges Etwas in den Höhlungen der plötzlichen Berge. Es hatte nicht verstanden, was dann geschehen war, nur dass es vom Tierchen zum Konglomerat wurde. Ein Stück Leben, geschaffen zum Zweck, die Berge zu durchdringen, den Krieg voranzutreiben, den Sieg jenen zu erringen, die ihn als ihr Recht ansahen.
    Eine Zweckgestalt.
    Ein Bardenleben hatte man hinzugefügt, wegen des kreativen Denkens und wegen des Gehorsams, der den Menschenwesen eigen war. Der Wille der Mardoryx kam hinzu, und SIE ward geboren, gelenkt von jenen, die sich selbst

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