Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
ihres Angriffs, bissen um sich, drangen den Tyrrfholyn zwischen die Beine. Enygmes Leute konnten nicht ausweichen. Auf dem engen Raum, auf dem sie zusammengedrängt worden waren, gab es wenig Möglichkeit zu manövrieren.
Enygme versuchte es erneut. Wieder wurde einer von den Schraten zu Staub, als Enygmes Geist ihm suggerierte, dass er genau das war. Doch die Schrate waren zahlreich, und es kostete die Fürstin viel Energie, jeden mit der geballten Kraft ihrer Sinne einzeln zu zerstören.
Vier von ihnen drangen nun auf sie ein. In die Re-Gyurim kam Bewegung. Setzten sie jetzt zum Todesstoß an?
Ein neues Geräusch ließ Enygme zusammenzucken, während der Kreis um ihre Herde enger wurde.
Ein kurzer Krieg, dachte sie. Kaum hatte er angefangen, da waren sie auch schon besiegt. Was würde aus Talunys werden? Was würde aus ihrer Sippe? Was aus den Menschen?
In der Luft erhob sich ein Rauschen.
Kapitel 95
Irene versuchte, aus den Bildern, die nun immer häufiger auf dem schwarzen Teich aufblitzten, einen Sinn zu ziehen. Una hatte sie schon sehr lange nicht mehr gesehen.
Statt einer Antwort zu Unas Verbleib, sah sie wieder und wieder die seltsame Burganlage. Dort hatten sich die beiden Lager getrennt. Aus dem Kampf war ein Abwarten geworden, das jedoch nicht von Frieden, sondern von Krieg kündete. Bisweilen sah sie Menschen durch Gänge hasten. Jedes Mal, wenn sie sie sah, trugen sie mehr Waffen und entschlossenere Gesichter zur Schau. Es war, als sammelte sich Mut und Wut gleichermaßen, um alsbald wie eine Lawine mit voller Wucht loszubrechen.
Dann wieder sah sie Einhörner, die in beklemmender Schönheit gruppenweise die breiten Gänge entlangtrabten. Sie wirkten unglücklich und verstört, als wüssten sie nicht, welcher Blitz sie getroffen hatte.
Irene verstand, dass dies hier nicht das Ende, sondern der Anfang von etwas Neuem war.
Esteron konnte sie nicht sehen. War er überhaupt dort? Sie wusste viel zu wenig, um sich ein Urteil zu bilden. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie die Gefühle, die ihr aus den Bildern entgegenströmten, richtig deutete. Den aufgestauten Hass der Menschen glaubte sie begreifen zu können. Doch die Pferdegesichter der Einhörner waren viel schwerer zu deuten.
Und wo war Una?
Mit einem Mal verblassten die Bilder, und der Teich lag schwarz und schwer und tief in der Mitte der Tropfsteinhöhle. Beinahe wäre Irene vor Müdigkeit seitlich umgekippt. Ihre Augen brannten vor lauter Bemühen, in dem dunklen Wasser erneut etwas zu erkennen. Lange geschah nichts.
Schließlich erschien wieder ein Bild. Es war noch dunkler als die letzten, noch schlechter zu erkennen. In jenem anderen Reich war es Nacht geworden.
Wieder sah sie die Schlachtszene. An der Aufstellung hatte sich wenig geändert, doch Irene konnte spüren, dass die Fürstin kurz vor der Niederlage stand. Eben stürzte auch noch eine riesige Kreatur aus dem Himmel hernieder, direkt auf Enygme zu. Was genau es war, konnte Irene nicht erkennen. Doch es schien ein Angreifer ungeheuren Ausmaßes zu sein. Der Körper allein mochte größer sein als der eines Einhorns. Die Flügelspannweite war enorm. Ein Drache, dachte Irene unwillkürlich. Doch dieser Drache hatte keine Reptilienschuppen und keinen langen Schwanz.
Federn. Drachen mit Federn? Jetzt nahm Irene auch einen Kopf wahr. Großäugig und erschreckend. Der riesige Schnabel mochte mit einem Biss Köpfe abreißen.
» O mein Gott! « , flüsterte Irene.
Gigantische Klauen griffen nach unten. Ob sie etwas so Großes wie ein Einhorn fortschleppen konnten? Oder würde es reichen, damit armtiefe Wunden zu schlagen?
Doch dann griffen die Klauen nach den runden Pelzwesen, fassten gleich mehrere von ihnen. Ein, zwei gigantische Flügelschläge brachten Jäger und Beute wieder höher in die Luft. In den äußeren Belagerungsring kam nun Bewegung. Während die einen ungehalten auf den geflügelten Angreifer starrten, wandten sich andere nach außen. Auch von dort schien etwas zu kommen. Nachschub? Weitere Feinde? Die Uruschge, die dort immer noch lauerten? Oder hatten die sich inzwischen neue Opfer gesucht?
Das Bild zerbarst, als der Weiher vor Irene aufbrodelte wie ein Geysir. Sie blickte verärgert auf die Störung, die das Bild zerbrach, und begriff viel zu spät, dass die Bewegung im Wasser kein neues Bild war, nichts Ungefährliches, das weit weg war, sondern etwas, das gleich hier sein würde.
Schon barst es aus dem Wasser hervor. Gischt spritzte weit auf,
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