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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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eines ganzen Volkes war in ihr versammelt, angereichert durch dessen Skrupellosigkeit und dessen Können und Wissen. Weisheit mochte er es nicht nennen.
    Nun schwang er stärker hin und her, klammerte sich an das Horn, als wollte er es nie wieder loslassen. Ein zweites Horn würde man ihm nicht stehlen, nicht solange er lebte. Er zog die Beine an und stieß damit nach oben, erwischte die weiße Schulter des Wesens. Erneut trat er danach, konnte kaum zielen, während er immer noch mit einer Hand an seinem Horn festhing und sein ganzer Körper in der Luft schaukelte wie eine Spinnenbeute im Kokon.
    SIE krabbelte nun nicht mehr auf der Decke auf und ab, hielt sich vielmehr eisern daran fest. Dennoch gelang es IHR , seinem Tritt soweit auszuweichen, dass er SIE kaum streifte. SIE .
    » Lass los, du Biest! « , brüllte er. Dann fiel ihm IHR Name wieder ein und was Eryennis darüber gesagt hatte. » Malicorn! « Er warf IHR IHREN Namen entgegen wie eine Beleidigung. Ein Kreischen hallte von den Wänden wider – und SIE ließ los.
    Kanura fiel direkt auf den Rücken. SIE drehte sich noch im Sturz, schrie dabei so gellend, dass IHRE Stimme den Fels an einer Höhlenseite durchschnitt. Kanura konnte den Riss im Stein sehen. Dann sah er nichts mehr. Denn schon war SIE auf ihm, unzählige Klauenbeine krallten sich in seine Haut. Einen Augenblick lang konnte er IHRE Unterseite sehen, erstarrte, als er zwischen den vielen Gliedmaßen weibliche Genitalien ausmachte, zart und rosa. Die Erkenntnis, dass in dem geballten Grauen, das SIE war, tatsächlich eine Art Frau steckte, stülpte ihm fast den Magen um. Falsch. Verkehrt. Verdreht. Nichts hier stimmte.
    Er schrie, nahm nur am Rande wahr, dass Unas Stimme vor Panik höher geworden war, doch sie sang weiter.
    Die scharfen Krallen der vielen Füße sanken in seine Muskeln und sein Fleisch. Wie entkam man einem so riesigen Hundertfüßler? Kanura versuchte, seinen Arm freizubekommen, der immer noch das schwarze Horn hielt. Schon spürte er, wie sein Blut aus vielen Wunden floss. Wenn er nicht gleich hier fortkam, würde SIE ihn zerfetzen.
    Und Una? Was würde mit Una geschehen? Er konnte sie singen hören, höher denn je.
    » Schlägt die Kralle,
    fließt das Blut,
    werden Klänge klare Wut.
    Meine Lieder
    sind die Waffen,
    die uns unseren Sieg erschaffen.
    Selbst hier im Kerker
    ist Liebe stärker.
    Du willst uns quälen,
    doch unsere Seelen
    rufen voll Zorn:
    Vergehe, Malicorn! «
    Wieder zuckte SIE , schrie hoch und schneidend. Es gelang ihm, einen Arm freizubekommen. In dem Augenblick, als Una IHREN Namen sang, ließ IHRE Kraft ein wenig nach. Kanura hieb mit seinem Horn nach IHR , legte all die Magie in den Streich, die er hätte, so er sein eigenes Horn in Händen hielte.
    Macht prallte auf Macht, summte, surrte, funkelte, blitzte, sprühte.
    Etwas knirschte in seiner Seele. Er konnte es spüren, und sein eigener Schrei verband sich mit dem der Gegnerin. Es war ihm, als hätte er sich die Seele eingeklemmt, wie man sich einen Finger einklemmte. Einen Augenblick lang meinte er, Eryennis’ Stimme zu hören. Ich mochte dich, du hoffnungsloser Narr, sagte sie. Dann war der innere Nachhall ihrer selbst verschwunden. Doch sie hatte etwas bewirkt, diese Stimme. Das Horn in seiner Hand fühlte sich nicht mehr fremd an. Es war nun endgültig seines.
    Mit dem Verstand erfasste er es nicht, doch er fühlte es, ließ das Unverständliche daran hinter sich zurück, schlug nur erneut zu mit einer Waffe, die nun sein eigen war. Alles, was er an magischer Willenskraft hatte, legte er in den Stoß.
    » Zurück! « , brüllte er, versuchte gleichzeitig, sich vom Boden abzustoßen, kam irgendwie auf die Füße. Mit einem Schlag schoss Macht aus seinem Horn. Er selbst taumelte vom Rückstoß getrieben und setzte sich auf den Hosenboden.
    Die Feindin war blitzartig von ihm gewichen, stand ein, zwei Schritte entfernt von ihm, streckte sich trippelnd auf ihren Chitinbeinen. SIE zischte vor Wut.
    SIE reckte eine flache Hand in seine Richtung, beschrieb damit einen Kreis. Fast konnte er sehen, wie seine Macht dagegen zerbröckelte. Wie ein Schleier aus glühender Energie stand ein Feld zwischen ihm und der Kreatur.
    » Ich weiß, wer du bist « , flüsterte er, legte seine Konzentration in die Aufrechterhaltung des Angriffs, der doch nur verpuffte. Er musste auf SIE fokussieren, stellte SIE sich als Mittelpunkt einer Zielscheibe vor, gegen die er seine Macht schleuderte.
    » Ich bin eure Zukunft und

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