Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)
euer Ende, Tyrrfholyn von Kerr-Dywwen. Fürstensohn, es dürsten schon die Jäger der Macht nach deiner Todesnacht. «
» Deine Verslein sind öde! Und blöde, Malicorn, ist dein Zorn. Reimen kann ich auch « , spuckte er verächtlich in IHRE Richtung. » Was willst du von uns? «
» Alles! «
Er machte einen plötzlichen Ausfallschritt nach vorne, und sein schwarzes Horn durchstach die magische Barriere wie ein Dolch eine Bahn Seide. Die Kreatur schrie. Einen Augenblick lang glaubte er, er habe SIE erstochen, denn die Hornklinge traf auf Fleisch und ging dann nicht weiter.
Doch SIE war zurückgewichen und hielt die Spitze seiner Hornklinge in IHREN Händen. Es waren zarte, weiße Hände, mit den schönen Fingern einer Musikerin. Vielleicht konnte SIE ja nichts für das, was man IHR einst angetan hatte. Doch der Gedanke kam zur Unzeit. Schon glühte sein Horn, und seine eigene Angriffsmagie floss darin zurück, gepaart mit der Zerstörungskraft all jener, die die Zerstörung so lange geplant und gewollt hatten. Kanura knallte rückwärts gegen die Felswand. Sein Kopf schlug gegen den Stein und dröhnte vom Aufprall.
Wie hatte er nur annehmen können, er könnte SIE besiegen? Allein gegen die Mardoryx. Er hatte nie eine Chance gehabt. Die Welt um Kanura wurde schwarz.
Kapitel 97
Una liefen Tränen über die Wangen. Ihre Stimme wurde brüchig, verlor an Glanz. Sie sang immer noch, doch die Worte troffen ihr wie Blut von den Lippen.
Schwarze Facettenaugen wandten sich nun ihr zu. Der menschliche Mund öffnete sich, um ein neues Lied anzustimmen, dem Una nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Sie starrte SIE an. SIE lächelte, hatte sich von Kanura abgewandt, der an der Wand leblos zusammengesunken war.
» Warum? « , fragte Una, als sie keinen Gesang mehr in sich hatte. » Ich verstehe es nicht. Warst du nicht einmal ein Mensch? Was hast du davon, dass du alles zerstörst? «
Ein verächtlicher Blick traf sie.
» Macht « , sagte SIE .
» Rache? « , fragte Una.
» Vielleicht. «
» Wozu? «
» Was sonst gibt es noch? Nichts. Alles oder nichts. Dann lieber alles. «
» Aber mit ein bisschen gutem Willen könnte man doch … «
Schallendes Gelächter unterbrach Una.
Wieder schoss ein Faden aus dem Horn der Kreatur, die sich ganz beiläufig von Una abgewandt hatte. Der Faden traf auf den reglos daliegenden Kanura und wickelte sich um die Handgelenke des Einhorns. Erstarrt blickte Una auf das, was vor ihr ablief. Hier wurde ein Opfer umsponnen.
Sie ließ die Harfensaiten los und stürzte auf das Ungeheuer zu, ohne noch darüber nachzudenken, was sie denn tun sollte, wenn sie es erreichte.
Doch so weit kam sie gar nicht. SIE sprang mit einem einzigen Satz an die Decke, drehte sich noch im Sprung, während IHRE schwarzen Krabbelbeine schon nach Halt in den Spalten des Felsens suchten. Schon war SIE direkt über Kanura, so schnell, dass Una es kaum fassen konnte. Und dann wieder stand SIE neben dem Einhorn, rollte und drehte es und umspann es dabei.
» Einhorn, Keinhorn, Meinhorn « , skandierte SIE . » Ich habe eure Macht geschmeckt. Ich habe eure Magie geschmeckt. Euer Fleisch wird eine neue Erfahrung sein. « SIE blickte zu Una. » Und du? Aus dir mache ich Schrate. Viele Schrate. Bessere Schrate als die aus Erdwörgen. Una heißt du? Du wirst viele. Ich war viele und bin eine. Sei meine Armee, Una. Eine Bardin kann so vieles werden. Sieh mich an: Ich bin vieles geworden. «
» Lass ihn in Ruhe! « , schrie Una. Sie fiel auf der anderen Seite von Kanura hilflos auf die Knie. Seine Arme waren ihm eng an den Körper gesponnen. Seine Knie waren aneinandergebunden.
» So ein schöner Tyrrfholyn! « , höhnte SIE . » Sicher bist du froh, dass du seine Männlichkeit noch in dir spüren durftest, bevor es zu spät war. Hat er dich gut geritten? Spürst du ihn noch in dir? Wird er mir das gleiche Vergnügen bereiten? «
SIE krabbelte über ihn und fasste Kanura besitzergreifend zwischen die Beine.
» Sing ihm ein Liebeslied, kleine Bardin. Sing! Es wird schön sein, eine singende Armee zu haben. «
Ganz plötzlich ließ SIE von Kanura ab und krabbelte über ihn hinweg direkt auf Una zu, als hätte sie eben IHRE Prioritäten neu überdacht. Panisch versuchte Una, rückwärts zu entkommen, doch schon war das Ungetüm über ihr, hielt sie mit seinen vielen krallenbewehrten Beinen nieder. Zwei Menschenhände legten sich um Unas Gesicht, und sie röchelte auf, unfähig, Worte oder sonst einen Laut zu bilden.
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