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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Weißes Seidenhaar streichelte ihr über die Wangen. Das Gesicht des Geschöpfs kam immer näher, die schönen Lippen unnatürlich rot und voll. Sie öffneten sich, lächelten, eine rosa Zunge blitzte hervor. Ein Zungenkuss, dachte Una voller Entsetzen und würgte bei dem Gedanken. SIE wollte sie küssen. Und was SIE mit Kanura vorhatte, war mindestens genauso widerlich.
    SIE begann zu singen, und Una konnte IHREN Atem schon auf ihrem Gesicht spüren.
    » Nimm meinen Kuss,
    als Exitus,
    die Bardin wird mehr,
    wird mächtiges Heer.
    Und ist vollbracht
    hier meine Macht,
    wird sie bald gelten
    in sämtlichen Welten … «
    » Das könnte dir so passen! « , unterbrach eine Stimme, die Una nicht zuordnen konnte. Der Kopf über ihr fuhr herum, weiter, als man es einem menschlichen Kopf und Hals zutraute.
    Wer hatte da gesprochen? Una versuchte, zwischen den vielen Beinen hindurchzuspähen, doch auch der Torso war ihr im Weg.
    » Was du in Talunys treibst, ist mir einerlei « , fuhr die Stimme fort. » Tatsächlich ist so ein Einhornkrieg ja eine lustige Angelegenheit. Philosophen mit spitzen Hörnern, die einander abschlachten und dann elitäre Liedchen darüber schreiben. Erst dezimieren sie sich gegenseitig, und danach kommst du und füllst das Machtvakuum. Schön inszeniert, wenngleich auch wohl nicht das, was deine Meister einst geplant hatten. «
    SIE sprang mit einem Satz an die Decke und zischte vor Zorn. SIE krallte sich am Fels fest, IHRE Facettenaugen blickten auf die andere Seite der Höhle. Una wälzte sich auf die Seite, um zu sehen, woher die Stimme gekommen war.
    Zwei Personen standen da. Ob es Einhörner oder Menschen waren, wusste Una nicht zu sagen. Ein kräftiger Hüne von einem Mann und eine etwas vierschrötige Frau, beide in schwarze Lederkluft mit vielen Nieten gewandet, die an eine Biker-Gang erinnerten. Dabei trug der Mann ein Schwert quer über dem Rücken, dessen Griff man über der linken Schulter sehen konnte. Außerdem konnte Una noch ein Schulterhalfter mit einer Schusswaffe ausmachen. Und Dolche in Lederhalftern an Unter- und Oberschenkeln.
    Jetzt verstand sie gar nichts mehr.
    Ein Faden schoss von der Decke auf die beiden plötzlichen Besucher zu. Noch bevor er sie erreichte, verglühte er und fiel als glimmende Asche auf die Erde. Nun hielt der Kämpfer sein Schwert in der Hand. Una hatte nicht gesehen, wie er es gezogen hatte.
    Schwert statt Sense? War das der Tod? Und wieso kam er in Begleitung?
    » O mein Gott! « , flüsterte Una und hielt sich die Hände vor den Mund.
    » Göttin, bitte. Darauf lege ich Wert! « , sagte die Frau mit einem gönnerhaften Lächeln. » Und du kannst mir später huldigen. «
    » Ich weiß, wer du bist! » , zischte SIE . » Macha! Dies ist nicht deine Welt! Geh! «
    » Und ich weiß, wer du bist! Und du lässt meine Welt zufrieden. «
    Macha? Wer zum Henker war Macha?
    Der Blick der Frau schwenkte ungehalten zu Una.
    » Da war deine Mutter aber gebildeter. Die wusste, mit wem sie es zu tun hatte. «
    » Mutter? « , flüsterte Una verdattert. » Meine Mutter hat dich geschickt? «
    Macha lachte verächtlich. » Mich schickt man nicht. Ich bin die Göttin der Pferde und des Kampfes. «
    Sie wandte sich wieder der Kreatur an der Decke zu. In ihrer Stimme lag eine Entschiedenheit, die keinen Widerspruch duldete, obgleich sie weder donnernd noch besonders resonant war – eher trocken und spöttisch. Una fühlte ihre Macht. Göttin. Sie glaubte nicht an Göttinnen. Allerdings hatte sie bis vor Kurzem auch nicht an Einhörner geglaubt.
    Und was hatte ihre Mutter mit alldem zu tun?
    » Das Schließen der Quellentore war unverschämt « , sagte die Göttin zu der Kreatur. » Aber du hast sie ja wieder geöffnet mit deinen Uruschge. Gut so. Die Möglichkeiten müssen offen sein. Talunys mag dein werden. Die Welt der Menschen aber ist mein. Mit den Tyrrfholyn kannst du machen, was du willst. Die Einhörner nördlich der Berge fallen mir zu, denn sie sind nun nur noch bessere Pferde. Das Menschenmädchen kommt mit mir – das schulde ich ihrer fiedelnden Mama. Du bekommst das Einhorn. An deiner Stelle würde ich es nicht fressen. Zu groß und zu zäh. Aber du solltest dich seiner bedienen und eine hübsche Dynastie unglaublich hässlicher Mischbestien begründen. Doch – der Gedanke hat einen gewissen Reiz. Talunys, die Welt der vielbeinigen Herrscher. «
    Die Göttin wandte sich Una zu. » Und du, komm. Zeit zu gehen. «
    Una kroch zu Kanura, zerrte hilflos an

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