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Die Quellen Des Bösen

Die Quellen Des Bösen

Titel: Die Quellen Des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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Verwesungsgeruch angelockt wurde.
    Überrascht schrie sie auf, als sie den Körper ihrer Mutter erblickte.
    Schön wie zu ihren besten Zeiten, ruhte sie auf dem Lager. Die dunkelgrünen Haare schimmerten sanft im Licht der Kerze, die sandfarbene Haut war makellos, ihr Gesicht friedlich und entspannt.
    »Mutter?« Estra horchte hoffnungsvoll an ihrer Brust, doch das Herz schwieg. Belkala blieb tot, aber der kensustrianische Gott des Wissens schien ihr das alte Aussehen zurückgegeben zu haben.
    Jetzt bin ich mir sicher, dass Lakastra dir deinen Wunsch gewährt hat, dachte sie gerührt und streichelte die Wange der Toten. Du siehst selbst im Tod glücklich aus. Sie gab der Verstorbenen einen Kuss auf die rechte Hand und breitete ein weiteres Laken über den kalten Leib.
    Dann stieg sie die Treppen hoch, schritt durchs Haus und öffnete alle Vorhänge, alle Fenster, um das wärmende, wohltuende Sonnenlicht und den Wind hereinzulassen.
    Auch wenn sie voller Traurigkeit über den Verlust war, sie fühlte sich doch erleichtert, dass ihre Eltern vereint waren. Wenigstens gewann dieser schlimme Tag dadurch etwas Gutes.
    Schließlich warf sie sich einen leichten Mantel über und trat vor die Tür.
    Die Sumpfwesen und Menschen eilten durch die Straßen Ammtáras, beschäftigt mit ihren alltäglichen Sorgen und Besorgungen. Die Gebäude reckten sich hinauf in den Sommerhimmel, zeigten ihre Pracht im Licht des späten Nachmittags.
    Es ist mit dein Verdienst, dass es hier so herrlich aussieht. Ich werde dich bald schon in der Versammlung vertreten, Mutter, und die Geschicke der Stadt nach deinen Vorstellungen zu lenken versuchen, schwor sie sich und machte sich in einer seltsamen Stimmung aus Schwermut und Freude über das späte Glück ihrer Mutter auf den Weg, um den Inquisitor aufzusuchen und ihm vom Tod Belkalas zu berichten.
    Das Ergebnis der Versammlung auf dem großen Platz vor dem einstigen Palast Sinureds einen Tag später fiel so aus, wie es die Stadtoberen erhofft hatten. Alle Bewohner Ammtáras sprachen sich gegen die Wiederaufnahme von Menschenopferungen aus. Die Wesen mit höherer Intelligenz zeigten sich entsetzt über die neue Richtung, die in Ulsar eingeschlagen wurde. Und so beschlossen die Einwohner darüber hinaus, das Umland über die Lage in Kenntnis zu setzen und auf das neuerliche Verschwinden von Menschen vorzubereiten. Die Boten würden sich zusammen mit den Abschriften der Tzulani-Briefe aus Ulsar am folgenden Tag auf den Weg machen. Die Ironie der Geschichte war: Dieses Mal würde Ammtára der sicherste Zufluchtsort vor fanatischen Tzulani sein.
    Innerhalb einer knappen Stunde waren die Plädoyers und die Abstimmungen vollzogen, sodass man zu einem traurigen Anlass übergehen konnte.
    Die Bewohner zogen in einer schier unendlichen Prozession an der aufgebahrten Lakastre vorbei, die der Stadt ihren Namen gegeben hatte. Dem Begriff »Freundschaft« war die riesige Siedlung voll und ganz gerecht geworden.
    Estra und Pashtak standen leicht versetzt vor den Mitgliedern der Versammlung der Wahren neben der Toten. Beide hatten vereinbart, das Geheimnis der Kensustrianerin zu hüten, sogar das Haar hatten sie ihr nachträglich wieder schwarz eingefärbt, damit keinerlei Verdacht entstehen würde. Offiziell war sie am gleichen Fieber gestorben, das auch ihren Mann dahingerafft hatte.
    Bis spät in die Nacht dauerte es, bis schließlich alle der Witwe Boktors die letzte Ehre erwiesen hatten. Müde und traurig verabschiedeten sie sich vom Gremium und traten gemeinsam den Heimweg an.
    »Kanntet Ihr meinen Vater, Inquisitor?«, erkundigte Estra sich.
    »Lassen wir doch die gehobene Anrede«, schlug Pashtak vor. »Erstens kann ich das nicht leiden, zweitens sind wir beinahe so etwas wie eine Sippe.« Er dachte an seine Schar Kinder und welches seltsame Bild Estra dazwischen abgeben würde. »Zugegeben, eine ungewöhnliche Sippe«, feixte er, wurde aber gleich wieder ernst. »Nein, ich kannte ihn nicht.«
    Das Mädchen betrachtete den Sternenhimmel, das Abbild Tzulans und die leuchtenden Gestirne Arkas und Tulm, der Sage nach die Augen des Gebrannten. »Ich würde gern mehr über ihn erfahren. Meine Mutter hat mir zwar die Wahrheit über meine Abstammung gesagt, aber was nützt es, wenn die Neuigkeit mehr Fragen als Antworten aufwirft?«
    »Das ist das Unglaubliche an den Menschen«, grunzte Pashtak. »Sie wollen immer herausfinden, woher sie kommen und was alles in der Vergangenheit geschah.« Er tippte sich gegen

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