Die Quellen Des Bösen
Gedanken in Watte packte. »Ich bin Fjodora Turanow. Oder vielmehr das, was von mir übrig blieb.«
»Turanow? Die legendäre tarpolische Diva Turanow, die vor hundert Jahren hingerichtet wurde, weil sie mehrfachen Ehebruch mit anderen Frauen beging?«, staunte Perdór. »Deshalb der reichlich theatralische Auftritt. Wie ist es möglich, dass der Geist in Kensustria auftaucht?«
»Man kennt mich noch?«, sang der Geist erfreut, der Schemen wurde kräftiger. »Schnell, welches Stück darf ich für dich singen, Perdór? Der Meister weiß meine Stimme leider nicht zu schätzen. Wünsch dir etwas.«
»Sollten wir das nicht verschieben, bevor die Sahnepralinen sauer werden?«, warnte der Hofnarr feixend vom Kamin her. »Ich meine, du bist vielleicht schon ein wenig außer Übung.«
Ihre Umrisse verschwanden, dafür erhob sich das Tintenfass und ergoss seinen Inhalt über Fiorell.
»Können wir die Kostprobe auf später verschieben? Bringe mich bitte zu deinem Meister«, schlug der kräftige König vor, den nun die Neugier gepackt hatte. Einen Reim machen konnte er sich allerdings noch nicht auf das Geschehen. Sollte am Ende ein neuer, schüchterner Kensustrianer auftauchen, der Magie beherrschte und sich nicht zu melden wagte? Aber was hatte er dann mit Spukgestalten zu tun, die aus einem ganz anderen Teil des Kontinents stammten? Das ist alles sehr ominös. Und die Antwort erhalte ich wohl nur von diesem Meister. Er warf sich seinen Mantel über, tauschte die Pantoffeln gegen festes Schuhwerk.
Bald lief er allein durch das nächtliche Meddohâr, während die Schreibfeder vor ihm her wirbelte, als würde der Wind mit ihr spielen.
Einige Kensustrianer grüßten den König freundlich, er erwiderte die Aufmerksamkeiten und hoffte inständig, dass sich niemand darüber wunderte, wie eine Feder um ihn herum kreiste, obwohl kein Hauch durch die Gassen fegte.
Die Wachen am Tor ließen ihn passieren und warnten ihn davor, sich bei seinem Spaziergang zu später Stunde allzu weit zu entfernen. Es könne gut sein, dass sich Worrpa in der Nähe aufhielten.
Etwas zögernd verließ er den Schutz der mächtigen Mauern und folgte weiterhin der Feder. Nach einer guten Viertelstunde segelte das scheinbar von Leben erfüllte Schreibutensil ins Unterholz und schwebte nun durchs Dickicht. Keuchend folgte ihr Perdór und gelangte nach einer weiteren Viertelstunde an einen Platz, der weniger überwuchert war und wo die Baumkronen ein schützendes Dach bildeten. Die Feder glitt sachte zu Boden.
Perdór fischte ein Taschentuch heraus, um sich den Schweiß abzutupfen. »Sind wir da? Wo ist denn der Meister?«
Eine dunkle Gestalt, gekleidet in schlichte, robuste Kleidung und eine Gugelkappe tief ins Gesicht gezogen, trat hinter einem Baumstamm hervor. »Ihr sucht mich, Majestät. Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen.«
»Warten wir ab, ob ich mich freue, Euch kennen zu lernen«, meinte Perdór vorsichtig. »Ihr seid ein Mensch? Wie habt Ihr es geschafft, an den kensustrianischen Verteidigern vorbeizukommen und den Spürnasen der Worrpa zu entgehen? Ihr müsst Einiges beherrschen, um bis nach Meddohâr gelangt zu sein.«
»Es war nicht leicht«, stimmte der Meister zu. »Trotz allem hat Euch meine Botin erreicht. Und Ihr seid erschienen. Ihr werdet sehen, dass es sich gelohnt hat.« Er verschwand kurz hinter dem Baum und breitete eine Decke für den Herrscher aus. »Nehmt Platz, Majestät.« Er wartete, bis sein Gast saß, und lehnte sich gegen den Stamm. »Ich biete Euch meine Zusammenarbeit gegen den Kabcar und seine Schwester an.«
»Wie habt Ihr mich eigentlich gefunden?«, fiel es Perdór plötzlich auf.
»Spricht dieses Können nicht zusätzlich für mich?«, antwortete der Meister mit einer Gegenfrage. »Ich werde vieles erst nach und nach preisgeben, wenn ich weiß, dass ich Euch vertrauen kann.«
Der Ilfarit dachte nach. »Nun, dann sagt mir wenigstens, wer Ihr seid. Und wie Ihr es erreicht habt, dass Eure Magie wuchs und gedieh, ohne dass man Euch ausbildete.«
»Meine Kräfte sind von selbst besser geworden, aber sehr schwach, wenn man sie mit denen des Kabcar vergleicht. Weil ich sehr genau weiß, dass ich allein nichts gegen ihn und seine Geschwister ausrichten kann, bin ich in das Land gereist, das sich erfolgreich gegen den wahnsinnigen Despoten zur Wehr setzt. Zugegeben, ich verfüge nur über bescheidene Mittel. Indes, sie sind, gezielt eingesetzt, von Nutzen.« Der Mann achtete darauf, dass die Kapuze
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