Die Quellen Des Bösen
Zudem gibt es kein Gesetz, das es mir verbietet, Menschen anzuschauen, solange ich will. Daher nehme ich mir die kleine Freude heraus, Euch weiterhin zu betrachten.« Er stapfte an ihr vorbei. »Wenn Ihr einen Adligen findet, der sich deshalb mit mir schlagen möchte, schickt ihn nur herbei. Und nun entschuldigt mich, der Schmied muss dieses Visier lösen.«
Mit offenem Mund starrte Zvatochna dem Ritter nach, der schon zwischen den Zelten abbog und für sie unsichtbar wurde.
Er hat mich einfach stehen lassen , huschte es ihr fassungslos durch den Sinn. Er hat es gewagt, die Schwester des Kabcar einfach wie irgendeine unliebsame Person stehen zu lassen.
Krutor trat aus dem Zelt der Pferde. Vereinzelt hingen ihm Strohhalme an der kostspieligen Kleidung. Betreten klaubte er die Überbleibsel seiner Stallarbeit zusammen und übergab sie dem Wind. Danach entfernte er das Stroh vom aufwändig geschneiderten Kleid seiner Schwester.
»Warst du auch im Stall?«, erkundigte er sich vorsichtig.
»Nein«, sagte sie, immer noch konsterniert von dem Verhalten des Ritters. »Mich hat eben einer der Angorgläubigen umgerannt, weil sein Visier klemmte.«
Ihr Bruder lachte dröhnend. »Das war der Ziehsohn des Großmeisters, glaube ich. Auf alle Fälle haben sie die gleichen Wappen auf der Rüstung.«
»Ah so«, meinte sie nur vieldeutig. Diese Augen kamen mir seltsam bekannt vor. Es müssten jedoch die Augen eines Toten sein . Ihr Herz pochte aufgeregt. »Wie heißt er?«
Krutor zuckte mit den Achseln. »Er hat mir seinen Namen nicht gesagt. Aber er will zum Tee kommen.«
»Wie schön.« Zvatochna nahm die Hand ihres jüngeren Bruders und ging zurück in Richtung des Turnierplatzes. »Komm, es wird dunkel, und Govan wartet bestimmt schon auf uns.«
Albugast schoss herum, die Hand mit dem fließend gezogenen Dolch zuckte nach vorn und hielt kaum einen Fingerbreit vor dem Hals des Unbekannten inne. »Wer bist du, dass du dich wie ein Dieb ins Zelt schleichst?«
»Für einen Menschen, der scheppernde Rüstungen trägt, habt Ihr ein sehr gutes Gehör«, sagte eine freundliche, warme Stimme, und der Unbekannte trat nach vorn in den Lichtschein der Petroleumlampe. Sein Haar schimmerte auf, es wirkte wie feinste Fäden aus hochwertigem Silber. »Ich komme zu Euch als Freund.«
Der Knappe zog die Schneide zurück, als er den hochgestellten Gast und die Uniform erkannte. »Verzeiht meinen Empfang, Herr. Ich wusste nicht, dass der Konsultant des Kabcar auch die niederen Ränge des Ordens besucht.« Albugast steckte die Waffe zurück und schaute den Mann, der nie zu altern schien, wie sich das Volk erzählte, abwartend an. »Habt Ihr Fragen an mich?«
»Nein, nicht wirklich«, meinte Nesreca leichthin und nahm auf einem der Feldhocker Platz. »Nicht eben luxuriös«, kommentierte er und rutschte ein wenig hin und her. »Aber Ihr werdet bald besser sitzen, schätze ich. Ich habe Euch beobachtet, wie Ihr Euch heute in den Exerzitien am Rande des Turniers geschlagen habt. Ihr seid meiner Meinung nach der beste der Knappen, und wie ich hörte, steht Eurem Ritterschlag nichts mehr im Wege.«
»Nein, da seid Ihr beim Falschen, um Glückwünsche auszusprechen«, knurrte Albugast und fuhr sich aufgewühlt durch die kurzen, blonden Stoppeln. »Nicht ich, sondern Tokaro von Kuraschka wird die Schwertleite erhalten.«
»Tokaro? Tokaro von Kuraschka?« Alle Sinne der Niedertracht erwachten in dem Berater. »Aha, ich verstehe, der Sohn des Großmeisters wird vorgezogen«, sagte er provokant. »Nun ja, Blut ist dicker als Wasser.«
»Er ist nur ein angenommener Sohn«, verbesserte ihn der Knappe. »Warum seid Ihr hier, Herr? Ich habe den Eindruck, Euer Besuch beruht nicht auf simpler Neugier.«
Nesreca legte die Arme auf den kleinen Tisch und faltete die Hände zusammen. »Ihr habt Recht. Ist Euch etwas an diesem … Sohn aufgefallen?« An der Reaktion erkannte der Berater sofort, dass er mit seiner Annahme ins Schwarze getroffen hatte. »Weist er ungefähr hier«, er tippte sich aufs Schulterblatt, »ein Brandzeichen auf?« Mit dem Fingernagel ritzte er ein geschwungenes »I« ins Holz. »Das müsste im Wappen der Bardri¢ zu sehen sein. Es ist die Strafe für einen Dieb.«
Albugast starrte in die Flamme der Lampe. »Ich weiß es nicht«, log er unsicher.
»Wenn Ihr Euch erinnert, lasst es mich wissen. Ich hätte Euch ein interessantes Angebot zu unterbreiten, dem Ihr schwerlich widerstehen könntet.« Nesreca erhob sich, schlenderte
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