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Die Quellen Des Bösen

Die Quellen Des Bösen

Titel: Die Quellen Des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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strichen über die Gravuren auf der Klinge. Wenn ich nicht zu den anderen darf, wähle ich mir meinen eigenen Ort, an dem ich meine Ruhe finde. Ob meine Seele ebenso aufgenommen wird wie die der anderen?
    Etwas flog mit einem leisen Rauschen durch die Luft und landete vor Lodrik. Trotz der Dunkelheit erkannte er im Schimmer der Monde ein Bündel leer gedroschener, vom Flegel zerschlagener Ähren.
    Erschrocken zuckte er zurück, umfasste den Griff der Waffe und richtete sie mit der Spitze voraus nach vorn.
    Ein unheimliches Frauenlachen ertönte. Dann trat ein dürres, altes Weib in einer dunklen Robe aus den weißen Dunstschleiern hervor, in der Rechten locker eine schwarze Sichel haltend. Ihr Gesicht wurde durch eine Kapuze verborgen.
    »Nanu, Lodrik Bardri¢?! Eben wolltest du dich noch töten, und schon im nächsten Augenblick würdest du dich gegen jemanden verteidigen, der dir das bringen könnte, nachdem du dich scheinbar sehnst?« Ihre Stimme klang knarrend wie ein betagter Baum, der sich gegen den Wind stemmt. Und ihre Anwesenheit verbreitete bei dem einstigen Kabcar Angst. Eine kreatürliche Angst.
    Sie hockte sich ihm gegenüber, und dort, wo sie die Erde berührte, erstarb alles Leben. Pflanzen verdorrten innerhalb weniger Herzschläge. Gras wurde braun, jedes noch so kleine, unscheinbare Insekt verging. Ihre knöchrige Hand pflückte ein Gänseblümchen. Sofort fielen die Blütenblätter herab, und die geschundene Blume ließ den Kopf hängen.
    Lodriks Verstand weigerte sich, die ungeheure Vermutung, die er hegte, weiter zu verfolgen. Es kann nicht Vintera sein. Schon wieder ein Traum? »Wer bist du?«, wagte er erstickt zu fragen.
    »Ich bin die Schwester desjenigen, von dem du dich abwandtest. Du befandest dich bereits in meiner Hand, doch du selbst hast dich gerettet.« Die schwarze Sichel malte seinen Namen in den Untergrund. »Du bist der Erste seit langer, langer Zeit, der sich meiner Macht widersetzte. Nun bin ich neugierig geworden und warte, was geschieht.«
    »Ich war wirklich tot?«, hauchte er und ließ die Klinge sinken. Fassungslos betrachtete er seine bleichen, abgemagerten Finger. Die Glieder traten überdeutlich unter der Haut hervor.
    »Dein Erlebnis hat dich gezeichnet, wie du siehst. Und du warst gerade dabei, einen weiteren Versuch zu unternehmen«, sagte sie freundlich. Die schwarze Sichel rotierte einmal in der Hand der alten Frau. »Ich warte gern. Ein weiteres Mal lasse ich dich nicht entkommen.« Sie deutete auf den Ährenstrauß. »Ich habe dir etwas zur Begrüßung gebracht, das zu dir passt. Die Halme sind leer, nutzlos und tot. Sie haben ihre Aufgabe erfüllt und müssen gehen.« Die Frau hielt inne.
    »Aber warum bist du nicht gegangen?«
    »Ich habe mich selbst vor dem endgültigen Tod gerettet? Ich dachte, die Geister … Ulldrael wollte mich nicht aufnehmen, weil ich mich wegen seiner Taten gegen mich von ihm lossagte.«
    »Mein Bruder hat dir gar nichts angetan.« Seine Besucherin schüttelte den Kopf unter der Kapuze, der Stoff geriet dadurch leicht in Bewegung. »Wir alle haben genug mit dem zu tun, der sich immer offensichtlicher am nächtlichen Firmament abzeichnet. Mein Bruder hat sogar vor langer, langer Zeit versucht, euch alle zu warnen. Aber die Tzulani waren schneller. So nahmen die Dinge durch dich ihren Lauf.«
    »Was hätte ich denn tun sollen?«, rief Lodrik verzweifelt.
    Mit Wucht bohrte sich die schwarze Sichel in den Stamm einer Ulme. Kurz darauf segelten die ersten gelben und braunen Blätter herab. Der Baum starb in Windeseile.
    »Reicht dir das als Antwort? Niemand macht dir einen Vorwurf, Lodrik Bardri¢. Du musstest die Prophezeiung erfüllen, egal in welcher Weise. Aber niemand von uns rechnete damit, dass der Gebrannte bereits so sehr erstarkt war, dass er Schergen nach Ulldart senden und dem Schicksal nachhelfen konnte. Das brachte ihm unschätzbare Vorteile. Du warst anfangs zu jung und zu naiv, um dem gerissenen Ischozar standzuhalten. Und irgendwann zu überheblich.«
    Der einstige Herrscher über Tarpol richtete sich auf, seine Schulter schmerzte unglaublich. »Wäre mein früher Tod die einzige Lösung gewesen? Wenn ich mir damals am Verhandlungstisch vor den Augen aller Diplomaten den Dolch durch die Kehle gejagt hätte, wie sähe es dann jetzt aus?«
    »Vermutlich wäre Arrulskhán daraufhin in dein Land einmarschiert und hätte es besetzt«, schätzte die Frau.
    »Das käme für meine Untertanen mit der Dunklen Zeit gleich«, meinte

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