Die Rache
wie einen Miniatur-Kommandostab hin und her wirbelte. »Wir müssen nur die üblichen Überprüfungen vornehmen. Dürfte ich bitte Ihren Reisepass haben?«
»Natürlich«, sagte Butler und schob einen Pass der Volksrepublik China über den Tresen. »Ich erwarte nichts anderes als die strengsten Sicherheitsvorkehrungen.«
Berthold nahm den Pass in seine schmalen Finger, betrachtete zuerst das Foto und legte ihn dann auf einen Scanner.
»Alfonse«, herrschte Butler Artemis an. »Hör auf herumzuzappeln und steh gerade, Sohn. Du stehst manchmal so krumm da, dass ich denke, du hast überhaupt kein Rückgrat.«
Berthold lächelte mit einer Unaufrichtigkeit, die ein Dreijähriger hätte durchschauen können. »Nett, dich kennen zu lernen, Alfonse.«
»Tach«, sagte Artemis genauso heuchlerisch.
Butler schüttelte den Kopf. »Mein Sohn kommuniziert nicht gerne mit dem Rest der Welt. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem er in die Armee kommt. Dann werden wir ja sehen, ob hinter diesen ewigen Launen ein Mann steckt.«
Berthold nickte verständnisvoll. »Ich habe ein Mädchen. Sechzehn Jahre alt. Sie vertelefoniert in einer Woche mehr Geld, als die ganze Familie fürs Essen ausgibt.«
»Teenager - überall dasselbe.«
Der Computer piepste.
»Ah, Ihr Pass ist in Ordnung. Jetzt brauche ich nur noch eine Unterschrift.« Berthold schob eine Schriftenkontrolltafel über den Tisch, an der ein digitaler Stift angeschlossen war. Butler nahm ihn und kritzelte seine Unterschrift auf die vorgegebene Linie. Sie würde mit der Vorlage übereinstimmen. Natürlich, denn die Originalunterschrift stammte von Butler. Colonel Xavier Lee war einer der rund zehn Decknamen, die der Leibwächter sich über die Jahre hinweg zugelegt hatte. Der Pass war ebenfalls echt, auch wenn die Angaben darin es nicht waren. Butler hatte ihn einige Jahre zuvor dem Sekretär eines chinesischen Diplomaten in Rio de Janeiro abgekauft.
Wieder piepste der Computer.
»Gut«, sagte Berthold. »Sie sind tatsächlich der, für den Sie sich ausgeben. Ich bringe Sie jetzt zum Schließfachraum. Wird Alfonse uns begleiten?«
Butler warf seinem »Sohn« einen Blick zu. »Das ist wohl besser. Wenn ich ihn hierlasse, schafft er es womöglich noch, sich verhaften zu lassen.«
Berthold versuchte, einen Scherz zu machen. »Nun, Colonel, da ist er, wenn ich so sagen darf, am richtigen Ort.«
»Voll der Scherzkeks«, nuschelte Artemis. »Sie sollten's mal mit 'ner Fernsehshow versuchen.«
Doch Bertholds Bemerkung war zutreffend. Überall in dem Gebäude standen bewaffnete Sicherheitsleute. Beim ersten Anzeichen einer Unregelmäßigkeit würden sie sich auf strategische Punkte verteilen und sämtliche Ausgänge blockieren.
Berthold führte sie zu einem Aufzug aus gebürstetem Stahl und hielt seinen Ausweis vor eine Kamera über der Tür. Er zwinkerte Artemis zu. »Wir haben hier ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem, junger Mann. Sehr spannend.«
»Wahnsinn, ich kipp' gleich aus den Latschen«, sagte Artemis.
»Jetzt reicht's aber, Sohnemann«, wies Butler ihn zurecht. »Berthold versucht doch nur, Konversation zu machen.«
Berthold ließ sich von Artemis' Sarkasmus nicht aus der Fassung bringen. »Vielleicht hast du ja Lust, hier zu arbeiten, wenn du älter bist, was, Alfonse?«
Zum ersten Mal lächelte Artemis aufrichtig, und aus irgendeinem Grund jagte der Anblick Berthold einen kalten Schauer über den Rücken. »Wissen Sie was, Berthold? Ich glaube, einige meiner besten Arbeiten werde ich in Banken vollbringen.«
Das irritierte Schweigen, das darauf folgte, wurde durch eine Stimme aus dem kleinen Lautsprecher unterhalb der Kamera unterbrochen. »Ja, Berthold, wir sehen dich. Wie viele?«
»Zwei«, erwiderte Berthold. »Ein Schlüsselinhaber und ein Minderjähriger. Kommen runter, um ein Schließfach zu öffnen.«
Die Aufzugtür glitt zur Seite, und dahinter lag eine Stahlkabine ohne jegliche Knöpfe oder Schalter. Nur eine Kamera hing oben in der Ecke. Sie traten hinein, und der Aufzug schloss sich über eine Fernschaltung. Artemis bemerkte, dass Berthold nervös die Hände rang, sobald sich die Kabine in Bewegung setzte.
»He, Berthold, wo ist das Problem? Ist doch bloß 'n Fahrstuhl.«
Berthold zwang sich zu einem dünnen Lächeln. »Dir entgeht nicht viel, was? Ich mag keine engen Räume. Und hier drin sind keinerlei Schalter, aus Sicherheitsgründen. Der Aufzug wird von unten bedient. Falls er stecken bleibt, sind wir auf den Wachmann angewiesen.
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