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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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weit.
    »Kommen Sie, Captain«, rief er keuchend über seine Schulter. »Klettern Sie rauf.«
    »Noch nicht«, erwiderte Holly. Sie stand mit dem Rücken zum Gerüst und versuchte, ein System im Ansturm der Trolle zu erkennen.
    Im Polizeipräsidium hatten sie eine Fortbildung zum Thema Trollangriffe durchgeführt. Aber die war auf der Basis einer Konfrontation mit einem einzelnen Exemplar aufgebaut gewesen. Zu Hollys grenzenloser Scham hatte der Ausbilder eine Videoaufzeichnung ihrer eigenen Begegnung mit einem Troll in Italien vor zwei Jahren gezeigt. Das hier , hatte er gesagt, das Video auf Standbild geschaltet und mit seinem Zeigestock auf den Großbildschirm geklopft, ist ein klassisches Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Doch dies war eine völlig andere Situation. Niemand hatte ihnen gesagt, was sie tun sollten, wenn sie von einem ganzen Rudel Trolle angegriffen wurden, noch dazu in deren eigenem Territorium. Vermutlich waren die Ausbilder davon ausgegangen, dass niemand so dämlich sein würde, sich dorthin zu verlaufen.
    Zwei Gruppen stürmten direkt auf sie zu. Die eine kam vom Fluss, angeführt von einem regelrechten Monster, aus dessen Stoßzähnen Betäubungsgift tropfte. Holly wusste, wenn auch nur ein Tropfen dieses Gifts unter ihre Haut drang, würde sie in selige Bewusstlosigkeit sinken. Und selbst wenn sie den Klauen des Trolls entging, würde das Gift sie nach und nach lähmen.
    Die zweite Gruppe näherte sich vom Hügelkamm im Westen und bestand hauptsächlich aus Nachzüglern und Jungen. Im Tempel selbst hockten auch einige Weibchen, aber die nutzten das Durcheinander, um sich an den liegen gebliebenen Kadavern gütlich zu tun.
    Holly schaltete die Helligkeit der Videokapsel herunter. Sie musste das Timing exakt abstimmen, um die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Das hier war ihre letzte Chance, denn sobald sie anfing zu klettern, konnte sie nicht mehr zielen.
    Die Trolle stürmten die Stufen des Tempels hinauf und rangelten dabei um die besten Plätze. Die zwei Gruppen kamen im rechten Winkel aufeinander zu, beide direkt auf Holly gerichtet. Dann sprangen die Anführer mit einem Riesensatz vor, wild entschlossen, den Eindringling als Erste zwischen die Zähne zu kriegen. Sie hatten die Lippen gebleckt, dass die Reißzähne blitzten, und die Augen waren auf ihr Opfer fixiert. Das war der Moment, auf den Holly gewartet hatte. Sie schaltete die Helligkeit auf höchste Stufe und blendete die beiden Ungeheuer, während sie noch in der Luft waren. Unter gellendem Geschrei schlugen sie nach dem verhassten Licht und krachten in einem Durcheinander aus Armen, Beinen, Klauen und Stoßzähnen zu Boden. Jeder der Trolle meinte, er würde von einer rivalisierenden Gruppe angegriffen, und innerhalb von Sekunden tobte am Fuß des Gerüsts ein gnadenloser Kampf.
    Holly nutzte das Chaos und kletterte gelenkig die ersten drei Sprossen hinauf. Sie befestigte die Videokapsel an ihrem Gürtel, sodass sie nach unten leuchtete. Kein besonders wirkungsvoller Schutz, aber besser als nichts.
    Innerhalb kürzester Zeit hatte sie Artemis eingeholt. Der Menschenjunge rang nach Atem und kam kaum vorwärts. Aus der Wunde an seinem Knöchel rann Blut. Holly hätte ihn mit Leichtigkeit überholen können, doch stattdessen hakte sie sich mit dem Arm an einer der Sprossen ein und sah nach, was unten passierte. Und das war gut so. Ein relativ kleiner Troll erklomm das Gerüst mit der Geschicklichkeit eines Berggorillas. Seine noch jugendlichen Stoßzähne ragten kaum über die Lippen hinaus, aber sie waren scharf, und an den Spitzen sammelte sich das Gift. Holly richtete die Videokapsel auf ihn, und er ließ die Stange los, um seine brennenden Augen zu schützen. Ein Elf wäre intelligent genug gewesen, sich mit einem Arm festzuhalten und mit dem anderen die Augen abzuschirmen, aber Trolle hatten kaum mehr Verstand als Stinkwürmer und handelten fast völlig instinktiv.
    Der kleine Troll fiel vom Gerüst und landete auf dem zotteligen, wütenden Gewimmel unter ihm, das ihn augenblicklich verschlang. Holly kletterte weiter nach oben, wobei die Videokapsel gegen ihre Beine schlug. Artemis quälte sich die Sprossen hinauf, und in weniger als einer Minute hatte sie ihn wieder eingeholt.
    »Alles in Ordnung?«
    Artemis nickte mit zusammengepressten Lippen. Doch seine Augen waren weit aufgerissen, beinahe panisch. Diesen Blick kannte Holly, sie hatte ihn bei ZUP-Officern gesehen, die im Kampf überfordert waren. Sie

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