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Die Rache

Die Rache

Titel: Die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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Welches Wesen war schließlich verrückt genug, eine Horde Trolle anzugreifen? Der blendende weiße Lichtstrahl riss ein Loch in ihre Reihen, und ihre Verwirrung hielt gerade lange genug an, dass Artemis und Holly durch die Lücke flüchten konnten.
    Sie liefen den Hügel hinauf, auf den Tempel zu. Holly versuchte gar nicht, den Trollen auszuweichen, sondern rannte direkt auf sie zu. Wenn sie dann in ihrer vorübergehenden Blindheit nach ihr schlugen, schufen sie nur zusätzliche Verwirrung untereinander. Hinter Holly und Artemis brachen ein Dutzend Schlägereien aus, als die zotteligen Ungeheuer sich versehentlich gegenseitig mit ihren rasiermesserscharfen Krallen aufschlitzten. Einige der gerisseneren Trolle nutzten die Gelegenheit, um alte Rechnungen zu begleichen. Die Keilerei griff immer weiter um sich, bis die ganze Gegend ein Durcheinander aus tobenden Trollen und aufgewirbelten Staubwolken war.
    Japsend und keuchend kämpfte Artemis sich den Hügel hinauf, die Finger um Hollys Gürtel geschlungen. Captain Short atmete in einem gleichmäßigen Rhythmus kurzer Schnaufer. Ich bin völlig untrainiert , dachte Artemis. Und das kann mich teuer zu stehen kommen. In Zukunft muss ich mehr als nur mein Gehirn trainieren. Falls es eine Zukunft für mich gibt.
    Vor ihnen ragte der Tempel auf, kleiner als das Original, aber immer noch über fünfzehn Meter hoch. Dutzende identischer Säulen trugen ein dreieckiges Dach, das mit kunstvollen Bildhauereien verziert war. Der untere Teil der Säulen war von zahllosen Klauenspuren zerkratzt, wo jüngere Trolle versucht hatten, vor ihren Verfolgern zu fliehen. Artemis und Holly liefen die etwa zwanzig Stufen hinauf, die zum Fuß der Säulen führten.
    Glücklicherweise hockten keine Trolle auf dem Gerüst. Die waren alle damit beschäftigt, sich gegenseitig umzubringen oder aufzupassen, dass sie nicht selbst umgebracht wurden. Aber es dauerte nicht lange, bis sie sich wieder daran erinnerten, dass unter ihnen Eindringlinge waren. Frischfleisch. Nicht viele von den Trollen hatten Elfenfleisch gekostet, aber diejenigen, die in den Genuss gekommen waren, wollten gerne mehr davon. Nur einer von ihnen hatte schon einmal Menschenfleisch probiert, und die Erinnerung an diesen köstlichen Geschmack verfolgte ihn noch immer in seinen dumpfen Träumen.
    Genau dieser Troll schwang sich gerade aus dem Fluss, durch das nasse Fell zehn Kilo schwerer als sonst. Beiläufig versetzte er einem Jungen, das ihm zu nahe gekommen war, einen Knuff, und hob schnüffelnd die Nase. Hier hing ein ungewohnter Geruch in der Luft. Ein Geruch, an den er sich aus seiner kurzen Zeit unter dem Mond erinnerte. Menschengeruch. Allein die Erinnerung daran ließ ihm das Wasser im Maul zusammenlaufen. Mit plumpen Bewegungen stürmte er Richtung Tempel. Wenig später folgte ihm eine ganze Horde fleischhungriger Ungeheuer.
    »Wir stehen wieder auf der Speisekarte«, bemerkte Holly, als sie das Gerüst erreicht hatte und sich umsah.
    Artemis löste die Finger von ihrem Gürtel. Er war viel zu sehr außer Atem, um zu antworten. Die Hände auf den Knien abgestützt, rang er keuchend nach Luft. Holly fasste ihn am Arm. »Nicht schlappmachen, Artemis. Wir müssen da rauf.«
    »Nach Ihnen«, stieß Artemis japsend hervor. Er wusste, sein Vater würde niemals eine Dame in Nöten zurücklassen und selber fliehen.
    »Für Diskussionen ist jetzt keine Zeit«, sagte Holly und schob Artemis vorwärts. »Kletter Richtung Sonne. Ich halte die Bande noch einen Moment mit der Videokapsel zurück. Los.«
    Artemis sah Holly in die Augen, um ihr zu danken. Sie waren rund und haselnussbraun und... irgendwie vertraut. Erinnerungen zerrten an ihren Fesseln, hämmerten gegen Zellwände.
    »Holly?«
    Doch sie drehte ihn um, schubste ihn auf das Gerüst zu, und der Augenblick war vorbei. »Vorwärts. Beeil dich.«
    Artemis mobilisierte seine erschöpften Glieder und versuchte, die Bewegungen zu koordinieren. Fuß, Hand, Ziehen. Eigentlich kinderleicht. Er war schon oft auf Leitern geklettert. Na ja, mindestens auf eine. Bestimmt.
    Die Stangen des Gerüsts waren mit geriffeltem Gummi beschichtet, extra zum Klettern, und lagen genau vierzig Zentimeter auseinander, ein bequemer Abstand für einen durchschnittlichen Unterirdischen. Und zufällig auch für einen vierzehnjährigen Menschenjungen. Artemis begann hinaufzuklettern, hatte jedoch bereits nach den ersten fünf Sprossen lahme Arme. Er durfte nicht müde werden. Dafür war der Weg noch zu

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