Die Rache-Agentur
Ticket für zu schnelles Fahren bekäme, wäre das die Krönung!
Das Atrium war kaum zu übersehen mit seiner großzügigen Glaskonstruktion. Licht drang aus den Türen des Gebäudes, und für die Eröffnung waren Flutlichter am Gehsteig aufgestellt worden. Laserstrahlen tanzten vom Dach wie Flakscheinwerfer. Flick, die froh war, der U-Bahn entronnen zu sein, wo sie seit Clapham auf ihrer Fahrt in Richtung Norden lüstern angegafft worden war, bewunderte das Spektakel von der gegenüberliegenden Straßenseite. Sie wusste, dass Ed nicht an dem Entwurf beteiligt gewesen war – seine Aufgaben lagen im Projektmanagement –, aber das Gebäude besaß eine beeindruckende Architektur, die in ihrer Verschiedenartigkeit gut zu den anderen Gebäuden der Umgebung passte.
Wenn sich beim Eintreten der Partygäste die Türen öffneten, war Musik zu hören – eine Jazzband spielte – und das Klirren von Gläsern sowie Stimmengewirr. Flick sah auf ihre Uhr. Diese Architekten mussten ein pünktliches Völkchen sein, denn sie war nur zehn Minuten zu spät, und es wirkte bereits, als sei die Party in vollem Gange. Sie unterdrückte ihre Nervosität und zupfte an ihrem Kleid, in der Hoffnung, dass es ein paar Zentimeter wachsen möge, dann überquerte sie die Straße.
«Dürfte ich um Ihre Einladung bitten, Madam?», sprach sie ein Türsteher an, während er ihre Erscheinung mit weit aufgerissenen Augen ansah. Sie betrachtete ihn mit einem Größenvorteil von mindestens zehn Zentimetern.
«Ich bin ein Gast von Edward Casey», sagte sie so gebieterisch wie möglich, bevor sie ihr bestes, glockenhelles Lachen ausstieß. «Und ich vergesse ständig etwas.»
Der Türsteher hatte nicht vor, mit einer Frau auf lachsfarbenenStilettos zu diskutieren, und trat zurück. Im Inneren war das Gebäude von noch magischerer Schönheit. Es wurde von drei gigantischen, modernen Kronleuchtern erhellt – eine Kaskade von LEDs –, die in der Höhe eines Hauses von der Stahlkonstruktion herabhingen. Von jedem Kronleuchter hing ein Trapez herab, und auf allen Trapezen vollführten schwarze Artisten über den Köpfen der Gäste ihre Bewegungen in perfektem Einklang, während sich die Muskeln unter ihren silberfarbenen Jumpsuits abzeichneten.
Es waren viele Leute anwesend, die meisten von ihnen noch in ihrer Arbeitskluft, schlichte, teuer geschnittene Anzüge und schwarze Kleider – die Uniform der Reichen und Erfolgsverwöhnten. Flick fiel in der Menge auf wie ein bunter Hund, was beabsichtigt war. Als sie durch das Gebäude schritt, bemerkte sie amüsiert, dass sich die Leute mitten im Gespräch unterbrachen, um sie anzustarren – die Blondine mit dem aufgebauschten Haar im Minikleid mit Flowerprint, das wie eine zweite Haut an ihr klebte. Ganz schön nervenaufreibend.
Zum Glück kam gerade ein Kellner mit einem Tablett auf sie zu, und sie musste sich sehr beherrschen, nicht gleich zwei Gläser Champagner auf einmal zu nehmen. Flick trank einen großen Schluck, von dem ihr prompt die Kohlensäure in die Nase stieg, und sah sich suchend nach Georgie um. Allmählich wurde sie panisch. Wo war sie? Hatte sie kalte Füße bekommen? Als sich Flick gerade in Richtung Damentoilette davonmachen wollte, erkannte sie die Stimme des Mannes hinter ihr.
«Die Vorlage für die Dachkonstruktion wurde inspiriert von der Neogotik und speziell von den Bahnhöfen aus der goldenen Zeit der Dampflokomotiven», erklärte die Stimme ausschweifend. «Und wurde durch das Aufsetzen einer Dynamik, die typisch für das einundzwanzigste Jahrhundert ist, aktualisiert.»
«Faszinierend», erwiderte eine zutiefst gelangweilte Stimme. Flick nutzte den Augenblick.
«Ed!», flötete sie, packte ihn am Arm und schwang ihn zu sich herum, bevor sie einen Schritt auf ihn zutrat, um zur Begrüßung die Luft neben seiner Wange zu küssen. «Was für ein hübscher Ort, du musst sehr stolz sein.» Sie kniff ihn in die Wange und sah entzückt, dass das Erstaunen auf seinem Gesicht einem Dunkelviolett wich. Ein deutliches Zeichen, dass sie ihm peinlich war. Sie streckte dem Gentleman, den Ed umschmeichelt hatte, die Hand entgegen. «Hey, ich bin Flick, eine alte Freundin von Ed, nicht wahr, Ed?»
«Hocherfreut», erwiderte Eds Gegenüber und ließ den Blick über ihre Beine und die Frisur schweifen. «Derek Finch, Redakteur des
Concept
-Magazins.»
«Was da wäre?» Sie hoffte, dass sie nicht übertrieb, als sie eine Kaugummiblase zerplatzen ließ.
«Das ist das innovativste
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