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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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Martin in dem orangefarbenen Dress zeigte, umringt von seinen Entführern. Ich schluckte. Martins Stimme klang zwar gedämpft, aber klar und deutlich.
    » Julia«, begann er auf Spanisch. » Tal vez no volvamos a vernos… Si no salgo de ésta, quiero que me recuerdes como el hombre feliz que encontró su complemento a tu lado… Si el tiempo dilapidas, todo se habrá perdido. Los descubrimientos que hicimos juntos. El mundo que se abrío ante nosotros. Todo. Lucha por mí. Usa tu don. Y ten presente, que, aunque te persigan para robarte lo que es nuestro, la senda para el reencuentro siempre se te da visionada.«
    Ich blickte ratlos auf das Display.
    » Und«, drängte mich Dujok, » ist Ihnen nichts aufgefallen?«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    » Auffallen? Was soll mir denn auffallen?«
    Der Armenier forderte mich auf, mich auf Martins Worte zu konzentrieren. Während er mir Kopfhörer reichte, um sie besser hören zu können, äußerte er eine Bitte, von der ich nicht wusste, ob ich ihr folgen könnte:
    » Vergessen Sie das Bild. Hören Sie mit der größtmöglichen Distanz zu, und sagen Sie mir dann, ob Sie bei Martins Sätzen eine Besonderheit wahrnehmen. Egal was. Ein außergewöhnliches Wort. Eine besondere Modulation. Alles ist wichtig!«
    Verwirrt setzte ich die Kopfhörer auf und hörte mir die Botschaft jetzt mit geschlossenen Augen an.
    » Also? Haben Sie es bemerkt?«, drängte er mich erwartungsvoll. Dabei strahlte er mich an, als wäre des Rätsels Lösung ein simples Kinderspiel.
    » Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen«, erwiderte ich zögerlich, » aber anscheinend stimmt etwas mit dem Ton nicht, an zwei Stellen klingt es kräftiger, so als würde Martin lauter sprechen.«
    » Genau.«
    » Genau? Was hat das denn zu bedeuten?«
    Dujok verstaute das iPad in Waasfis Rucksack und sah mich mit herablassender Miene an.
    » Könnten Sie bitte die zwei Sätze wiederholen, bei denen Ihr Ehemann lauter spricht?«
    » Auf Spanisch?«
    » Aber ja. Selbstverständlich.«
    » Also, der eine Satz ist…« Ich überlegte schnell. » ›Si el tiempo dilapidas‹. Und dann ist da noch der Satz am Ende: ›se te da visionada‹.«
    » Großartig. Da haben Sie es doch. Haben Sie es immer noch nicht begriffen?«
    Ich sah verwirrt zu Dujok. Dieser Mann war anscheinend verrückt geworden. Keiner der beiden Sätze enthielt auch nur die entfernteste Anspielung auf die Iglesia Santa María a Nova.
    » Sehen Sie, Mrs Faber«, sagte der Armenier schließlich in einem Tonfall, als erbarmte er sich meiner Verblüffung, » Ihr Ehemann ist, genauso wie Jahrhunderte zuvor sein hochverehrter John Dee, ein Meister darin, verdeckte Botschaften in der normalen Sprache zu verstecken. Das hat er auch bei der NSA trainiert, und glauben Sie mir, die sind auf dem Gebiet die besten Spezialisten. Also, als man Martin aufforderte, eine Nachricht für Sie zu sprechen, setzte er eine Verschlüsselungstechnik ein. Im Mittelalter nannte man das ›phonetische Kabbala‹. Haben Sie schon einmal davon gehört?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    » Das habe ich mir gedacht«, meinte Dujok lächelnd. » Wie gesagt, wenn man es kennt, ist es kinderleicht herauszufinden. Diese Disziplin erlebte ihre Blütezeit in Frankreich, wo Aussprache und Schrift weniger übereinstimmen als im Spanischen und somit mehr Interpretationen gestatten. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben. Wenn man ›par la Savoie‹, also ›durch das Savoyen‹, sagt, kann Ihr Gesprächspartner irrtümlich auch ›parla sa voix‹, also ›seine Stimme sprach‹, verstehen, weil beides gleich ausgesprochen wird. Dee setzte diese rhetorischen Kniffe bei mehreren seiner Vorträge auf dem europäischen Festland ein und übermittelte den Botschaftern Ihrer Majestät Elisabeth I. so vor dem ahnunungslosen Publikum geheime Botschaften. Martin hat sich für diese Technik sehr interessiert und sie während seiner Jahre bei der NSA intensiv geübt, indem er mit den Lauten im Englischen und im Spanischen spielte.«
    » Davon hatte ich keine Ahnung«, flüsterte ich.
    » Diese Homophonien– so bezeichnet man heutzutage diese Wortspiele– funktionieren interessanterweise umso besser, wenn man die Sprache, in der sie formuliert werden, nicht kennt. Wenn ein Spanier ›el tiempo dilapidas’ hört«– Dujok sprach die spanischen Worte mit einem harten Akzent aus–, » versteht er den buchstäblichen Sinn, also ›wenn du die Zeit vergeudest‹. Aber eine Person, die kein

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