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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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Scherben bohrten sich durch den Stoff meiner Jeans, und ich keuchte auf. Alles verschwamm vor meinen Augen, während Bilder und Gerüche auf mich einstürmten und sich unaufhörlich überlagerten.
    Auf dem Sofa sitzen und Chips mampfen. Fernsehen und über alberne Sitcoms lachen. Mit einem Fachbuch am Küchentresen sitzen und Soda trinken. Das Buch frustriert durchs Zimmer pfeffern. Schluchzend auf dem Boden liegen, erschöpft und verwirrt. Sich ein heißes Bad einlassen und währenddessen die Klinge aus einem Einwegrasierer herauslösen. Fettiges Essen, Rotwein, Blut, blumiges Parfum, herbes Aftershave und ein Dutzend anderer Gerüche, die sich in Chalices Gedächtnis eingebrannt hatten. Alles, was sie in dieser Wohnung erlebt hatte, samt ihrem gewaltsamen Tod, vermischte sich zu einem kräftigen Cocktail der Erinnerungen.
    Ich erschauderte. Hinter den Augen verspürte ich stechenden Schmerz, und während ich mich auflöste, schien die Welt um mich herum zu zerfließen. Der Teppich hatte plötzlich eine andere Beschaffenheit, und ganz in meiner Nähe rief jemand etwas.
    Da hörte die Bewegung auf. Ich öffnete die Augen und sah vor mir die weiß gestrichene Schublade einer Frisierkommode. Darauf standen ein Schmuckkästchen und ein Spiegel. Ich war in Chalices Zimmer. Aus Versehen hatte ich mich in ihr Schlafzimmer teleportiert. Verdammt.
    »Evy?«
    Noch immer kniend, drehte ich den Oberkörper zur Tür. Aus dem Durchgang sahen Phin und Wyatt auf mich herab, und in beiden Gesichtern war große Sorge zu lesen. In Phins Ausdruck mischte sich außerdem Schock, weil ich für einen Sekundenbruchteil verschwunden gewesen war.
    »Alle Achtung«, staunte Phin. »Das ist ein cooler Trick.«
    »Das war mehr so ein Versehen«, erwiderte ich. »Es hat mich überkommen.«
    Wyatt kam auf mich zu und kauerte sich vor mir hin. Er nahm mein Gesicht in seine warmen Hände, so dass ich ihm direkt in die Augen blickte. »Bist du dir sicher, dass alles in Ordnung ist?«
    »Ich glaube schon. Das waren nur etwas viele Eindrücke auf einmal.« Ich zwang mich zu einem scherzhaften Lächeln. »Hoffentlich passiert mir das nicht jedes Mal, wenn ich einen Ort betrete, an dem sie öfter gewesen ist. Sonst teleportiere ich mich noch einmal wohin, wo ich mit dem Hintern in einer Wand feststecke.«
    »Das ist nicht lustig.«
    »Doch«, meinte Phin. »Man muss sich das nur bildhaft vorstellen.«
    Als Wyatt daraufhin die Kinnlade herunterfiel, musste ich laut loslachen. Dann ergriff ich seine Handgelenke und drückte sie. »Mit mir ist alles in Ordnung«, versicherte ich. »Das schwöre ich dir.«
    Er fasste sich wieder und zog eine Braue hoch. »Du schwörst so viel, dass es für uns beide reicht.«
    »Klugscheißer.«
    »Ich dachte, ich wäre ein Esel.«
    »Auch Esel können klugscheißen.«
    »Wem gehört diese Wohnung?«, fragte Phin mit lauter Stimme und unterbrach damit unser Geplänkel.
    »Mir, nehme ich an«, antwortete ich. Wyatt reichte mir die Hand, und ich ließ mir von ihm aufhelfen.
    »Nimmst du an? Sind wir jetzt Einbrecher oder nicht?«
    »Nein. Hast du nicht von dem Gerücht gehört, dass ich gestorben und wiederauferstanden bin und deshalb nicht mehr so aussehe wie früher?« Er nickte. »Also, diese Wohnung gehörte der Frau, die du vor dir siehst, und ihrem verstorbenen Mitbewohner. Von daher würde ich sagen, sie gehört mir.«
    Mit ruckartigen Kopfbewegungen wie denen eines Vogels schaute Phin sich um. »Wie ist der Mitbewohner gestorben?«
    Mein Herz setzte für einen Schlag aus. »Ich habe ihn umgebracht.«
    »Evy …«, begann Wyatt.
    »Was?«, fuhr ich ihn an. »Ich habe den Abzug gedrückt, oder etwa nicht?«
    »Alex war bereits lange tot, bevor du ihn erschossen hast. Er hat dir geholfen, weil er das wollte. Du hast ihn nicht dazu gezwungen.«
    Ich zog mich in die andere Ecke des Zimmers zurück. So fremd mir die weiße und rosafarbene Einrichtung bei meinem ersten Besuch hier auch erschienen war, nun vermittelte sie mir ein Gefühl von Geborgenheit, von Frieden und von einer Verbundenheit mit der Kindheit. Mit einer Mädchenhaftigkeit, die ich in meiner eigenen, von Gewalt geprägten Jugendzeit nie kennengelernt hatte.
    »Ist mir da eine wichtige Vorgeschichte entgangen?«, fragte Phin.
    »Ja«, antwortete Wyatt im selben Moment, in dem ich »Nein« sagte.
    Phin verdrehte die Augen. »Ich bin froh, dass wir das geklärt haben.«
    »Schau mal, Phin«, sagte ich, »du hast uns aus einem bestimmten Grund aufgesucht. Was

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