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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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erst, dass ich die Fäuste so fest ballte, dass ich mir mit den Fingernägeln in die Handflächen schnitt. Ich drückte noch mehr zu, denn ich war froh um den körperlichen Schmerz. »Weißt du eigentlich, was für ein Heuchler du bist? Erst tötest du sie, weil sie jemanden liebt, den sie nicht lieben soll, und kaum hast du dich umgedreht, verknallst du dich in mich, obwohl du es besser wissen müsstest.«
    Jede meiner wütenden Anschuldigungen schien ihn wie ein Faustschlag zu treffen, und bei jedem Satz sackte er weiter in sich zusammen. Ihn so schwach, geschlagen und elend zu sehen fiel mir schwer, aber andererseits war ich auch froh um den Anblick. Froh, weil das schlechte Gewissen und die Schuld ihn auffraßen. Denn das bedeutete, dass ihn schmerzte, was er getan hatte.
    »Wenn ich es nicht getan hätte«, hielt er dagegen, »hätte es jemand anders gemacht. Ich musste die Sache geheim halten, Evy. Warum, glaubst du, wird Rains Fall nicht im Anschauungsunterricht für die Triaden benutzt? Weil niemand sonst davon wusste.«
    »Natürlich nicht. Die anderen Jäger sollen ja nicht glauben, dass wir die Leute nur so zum Spaß abmurksen.«
    Mein undurchdringlicher Sarkasmuspanzer saß perfekt.
    »Das ist unfair.« Er straffte die Schultern und drückte das Rückgrat durch. Offenbar kehrte seine Wut zurück, und er wehrte sich. »Du hast keine Ahnung, wieso ich das getan habe. Du warst damals noch gar nicht beim Team. Und du weißt nicht, welchen Teil meines Selbst ich in jener Nacht geopfert habe.«
    »Dann verrat es mir, verdammt noch mal!«
    Heißer Zorn blitzte in seinen Augen auf, und ich rechnete damit, dass Wyatt jeden Moment Feuer fing. Stattdessen sagte er ganz ruhig: »Der Neutralisierungsbefehl bezog sich auf zwei Personen, Evy. Auf Rain und den Mann, den sie liebte. Beide sollten sterben.«
    Allmählich ergab das Ganze auf eine eigenartige Weise Sinn. Vor vier Jahren, kurz bevor ich zu ihnen stieß. Wyatt hatte den Job selbst ausgeführt, um ihn vor den anderen und seinen eigenen Jägern geheim zu halten. Er hatte einen Teil seines Selbst verloren. Oh, mein Gott …
    »Sag mir, dass du Cole nicht getötet hast«, sagte ich. »Sag mir, dass nicht er derjenige war, in den Rain sich verliebt hat und dessen Name auf dem Befehl stand. Scheiße, Mann, sag es mir.« Sein Schweigen brach mir das Herz, und Tränen stiegen mir in die Augen. Ich taumelte zurück, bis ich gegen das Bett stieß. Schwer ließ ich mich auf die Matratze fallen und war nicht in der Lage, den Blick vom Boden zu lösen.
    »Ich habe den Befehl an mich gerissen, weil sein Name darauf stand«, führte Wyatt aus, wobei er jedes Wort ausspuckte, als wäre es eine faulige Frucht. »Ich habe den Auftrag angenommen, damit er nicht sterben musste.«
    Abrupt hob ich den Kopf. Phin hatte sich mir ein paar Schritte genähert, verharrte aber am Rande meines Gesichtsfelds. All meine Sinne waren auf Wyatt gerichtet. Auf seine zugleich niedergeschlagene und wütende Miene, auf seine geröteten Wangen und kalten Augen. Diesmal musste ich nicht fragen, er erzählte es freiwillig.
    »Ich wusste, dass Cole mit jemandem ging, wusste aber nicht, wer es war, bis die Hohen Tiere den Befehl ausgaben. Sie sagten, da mein Jäger das Problem war, sollte ich das Problem aus der Welt schaffen. Aber ich brachte es nicht über mich, Jesse und Ash einzuweihen. Ich konnte mit niemandem über meinen Plan reden.
    Als Erstes ging ich zu Rains Wohnung und schaltete meine erste Zielperson mit einem Scharfschützengewehr aus. Da sie in der Kanzlei eines Strafverteidigers arbeitete, der sich auf eine äußerst wichtige Verhandlung von öffentlichem Interesse vorbereitete, fiel es der Polizei leicht, den Mord zu erklären.«
    Der emotionslose Tonfall, in dem er über die Ausschaltung seiner ersten Zielperson sprach, jagte mir Schauer über den Rücken. Der psychologische Vorgang war mir sehr wohl bekannt: Man errichtete eine Mauer zwischen sich und seinen Taten und entmenschlichte das Opfer. So wurde ein Job aus ihm statt eines Individuums. Das hatte auch ich eingeübt und während meiner Jägerlaufbahn Dutzende Male eingesetzt, wenn ich Blutsauger, Werwesen und andere Dregs auf den Befehl anderer hin ausgeschaltet hatte. Wie Tiere, die man notschlachtete – keine Persönlichkeiten mit einem Leben, Geliebten und einer Zukunft. Es tat mir weh, Wyatt so gefühlskalt zu sehen.
    Er fuhr fort: »Ich habe Cole eingesammelt und bin mit ihm in die Berge gefahren. Anfangs hat er mir keine

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