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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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Fragen gestellt. Erst als ich mitten in einem Wald anhielt. Dort habe ich ihm von dem Befehl erzählt und ihm mit dem Messer in die Schulter gestochen.«
    Er beeilte sich, die Frage zu beantworten, die mir ins Gesicht geschrieben stand. »Die Klinge war mit einem Zauberspruch belegt, für den ich meine gesamten Ersparnisse geopfert hatte. Davon wurde er ohnmächtig und verlor das Gedächtnis, so dass er sich nicht mehr an seine Vergangenheit als Jäger und sein Wissen über die Dregs erinnerte. Ich bin mit ihm noch hundert Meilen weit gefahren und habe ihn vor einer Notaufnahme abgelegt. Allein.«
    Seine gesamten Ersparnisse, um Cole eine neue Chance zu geben. Das kam mir so bekannt vor. »Und wieso war das besser, als ihn einfach umzubringen?«
    Er blinzelte mich an, denn offenbar hatte er nicht mit dieser Frage gerechnet. »Ich konnte ihn nicht umbringen, Evy. Er war einer von meinen Leuten, und er hat nichts Falsches getan.«
    »Aber Rain hat etwas Falsches getan?« Hatte sie das nicht wirklich? Vor einem Monat hätte ich Wyatts Entscheidung nicht so schnell verurteilt. Damals wäre es mir überhaupt nicht in den Sinn gekommen, mich auf Rains Seite zu stellen. Ich hätte sie für schuldig befunden, einen Menschen verführt zu haben – ein schändliches Verbrechen, für das ich sie nur zu gerne und mit dem größten Genuss bestraft hätte. Hatte Rain nun etwas Falsches getan?
    Ja. Nein.
    Wer bin ich, sie dafür zu verurteilen, dass sie irgendjemanden liebt?
    Nicht irgendjemanden, verdammt, sondern einen menschlichen Jäger.
    »Gleich zwei Tode vorzutäuschen hätte Verdacht erregt«, meinte Wyatt. »Die Hohen Tiere mussten davon überzeugt sein, dass ich ihn getötet hatte. Anders hätte ich ihn nicht retten können.«
    »Ihn retten?«, schnaubte ich. »Indem du ihn in einer fremden Stadt aus dem Auto geworfen hast, ohne ihm die Wahrheit über Rain zu erzählen und ohne dass er wusste, wer er war oder woher er kam? Du hast zwar nicht den Scheißabzug gedrückt, aber du hast alles getötet, was Cole zu dem gemacht hat, der er war. Wieso sollte das kein Mord sein?«
    Die letzte Frage konnte ich nicht mehr zurücknehmen, und das schmetterte ihn vollends nieder. Er sackte auf einem der Stühle in sich zusammen, als hätte man ihm alle Sehnen durchgeschnitten. In mir kämpften Abscheu und Mitleid gegeneinander. Ich wollte ihn in den Arm nehmen und so tun, als wäre das, was er getan hatte, in Ordnung, aber das war es nicht. Ich wollte ihn anschreien und ihn dafür verachten, dass er zugelassen hatte, dass Rain und Cole auseinandergerissen worden waren. Und ich wollte den Teil meines Inneren herausreißen, der verstand, warum er es getan hatte, und der ihm dafür Beifall zollte, dass er den Menschen dem Dreg vorgezogen hatte. Die Stimme in mir, die allmählich verdrängt und zum Schweigen gebracht wurde und sich dagegen aufbäumte.
    Wyatts Idee, Coles Leben zu retten, indem er ihm die Erinnerung raubte, war dem edlen Wunsch entsprungen, ihn zu beschützen. Schließlich war er der Handler, der seinen Jäger beschützte. Doch was waren wir, wenn nicht die Summe unserer Erinnerungen? Ich hatte zwar einen anderen Körper, aber mein Bewusstsein war noch intakt. Ich wusste, wer ich war, auch wenn hin und wieder Teile von Chalices Persönlichkeit hochkamen. Cole dagegen war völlig ausgelöscht und von einer Hülle ersetzt worden.
    »Es tut mir leid«, flüsterte Wyatt fast unhörbar. Er besaß kaum noch die Kraft, zu sprechen.
    »Mir schuldest du keine Entschuldigung.«
    »Doch, das tue ich, denn du hast recht. Ich bin ein Heuchler. Ich habe zwei Leben zerstört, weil die Opfer dasselbe taten wie ich. Man kann sich nicht aussuchen, wen man liebt. Das habe ich inzwischen begriffen, und jetzt ist es zu spät, um es wiedergutzumachen.« Er holte zitternd Luft und atmete in kurzen, keuchenden Stößen aus. »Etwas sagt mir, dass es nichts bringt, mich bei Snow zu entschuldigen, wenn ich ihn nachher sehe.«
    Bei diesem Gedanken zuckte ich zusammen. Anscheinend wusste Snow, was Wyatt getan hatte. Allerdings war das lediglich eine Mutmaßung, denn Wyatt war sorgfältig. Mit Sicherheit hatte er keine belastenden Hinweise hinterlassen, und höchstwahrscheinlich hatte er in den letzten vier Jahren mit niemandem darüber geredet.
    Da er ein Kitsune war, würde Snow vermutlich nichts von einer Entschuldigung wissen wollen, sondern Wyatt auf der Stelle töten. Dass Call ihn sprechen wollte, war womöglich nur ein Vorwand, um ihn Snow

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