Die Rache der Jagerin
Parker’s Palace. Park Place. Nah beieinander, aber nicht dasselbe.
Auf dem Blatt wurde auch der Zweck der Veranstaltung erläutert: Es sollte Geld gesammelt werden, um den Keller des historischen Parker Palace Theaters zu renovieren und die Künste wieder in das alte Uferviertel zu bringen. Um Punkt sieben heute Abend würde die Veranstaltung in der Lobby beginnen. Für den guten Zweck sollte eine verdeckte Auktion abgehalten werden. Darüber hinaus waren auch andere Spenden willkommen, und den Spendern wurde der Titel »Patron der Künste« verliehen.
»Verdammte Scheiße«, sagte ich. »Also war da tatsächlich was im Gange, nur dass der Typ im Fitnessklub sich geirrt hat, was Ort und Zeit angeht.«
»Oder er hat sich nicht geirrt«, hielt Wyatt von irgendwo hinter mir dagegen, und ich erschrak, als ich merkte, wie nah er mir war. »Vielleicht haben wir sie gestern Abend nur nicht hinein- und hinausgehen sehen.«
Phins Kopf fuhr zu ihm herum. »Wie sollte das …?«
»Die Tunnel«, erklärte ich. »Die Kobolde konzentrieren sich auf Mercy’s Lot wegen der Abwasserkanäle und der Schwarzbrennertunnel, die unter dem Stadtviertel verlaufen.«
»Aber sie haben im Umkreis von sechs Häuserblocks keinen Zugang zum Fluss«, fügte Wyatt hinzu und trat links neben mich, so dass er unsere kleine Gesprächsrunde vervollständigte. »Deshalb wurde die Hälfte dieser Häuser vor fünfzig Jahren verlassen. Wasser drang ein und hat die Fundamente beschädigt. Danach hat man die Tunnel zwar verplombt und zugeschüttet, aber der Schaden war bereits angerichtet. Die teuren Reparaturen wollte keiner bezahlen.«
Ich zog eine Braue hoch. »Bis jemand auftaucht, der einen Zugang braucht und sich die Mühe macht, die Tunnel wieder freizulegen.«
»Das ist weit gegriffen, Evy, und damit traust du Call umfangreiche Planungen zu.«
»Er scheint einer von der planenden Sorte zu sein – vor allem, wenn er bereits seit vier Jahren an seiner Rache arbeitet.« Dass Wyatt bei meinen Worten zusammenzuckte, verschaffte mir keinerlei Genugtuung. »Schau, wenn es einen Tunnel gibt, der in irgendeines der vier Häuser an der Ecke Park und Howard Street führt …«
»… hätten sie sich treffen können, ohne dass wir es mitbekommen«, ergänzte Phin. »Sie könnten sogar noch dort sein und auf Befehle warten.«
Die digitale Uhr über meiner Schulter zeigte Viertel vor sechs an. »Wir brauchen einen Plan, und zwar schnell.«
Wyatt holte sein Handy hervor und wählte eine Nummer. Seine Miene strahlte grimmige Entschlossenheit aus, und er presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. »Gina, ich bin’s. Untersuche die Keller der Häuser an der Kreuzung Park und Howard. Ich vermute, du findest dort einen Zugang zum Untergrund.« Aus dem Hörer quäkte ihre gedämpfte Stimme. »Das weiß ich. Glaube mir einfach und sieh nach. Wird das Theater, wo die Benefizveranstaltung steigen soll, noch von einem deiner Leute beobachtet?«
Wieder ein Quäken, woraufhin er die Stirn runzelte. »Na, dann schicke dort jemanden hin, denn es könnte gut sein, dass sie das im Visier haben.« Sie sagte noch etwas, während ich von einem Fuß auf den anderen trat. »Denk darüber nach, Gina. Wir haben dreihundert Mitglieder eines der ältesten und mächtigsten Clans der Stadt getötet. Mindestens genauso viele der wohlhabendsten und einflussreichsten Bürger der Stadt werden dort sein und so tun, als würden sie sich für Kunst interessieren. Das ist das perfekte Ziel, und wenn wir recht haben, führt einer der Tunnel entweder direkt zum Theater oder unmittelbar in seine Nähe.«
Während der nächsten langen Pause wuchs in mir das Bedürfnis, Wyatt eine runterzuhauen, weil er das Gespräch nicht auf Lautsprecher gestellt hatte. Endlich kam er wieder zu Wort. »Ich muss noch etwas anderes erledigen. Pass einfach auf dich auf und mach, was du kannst, okay?« Damit legte er auf.
»Sie klang nicht gerade überzeugt«, meinte Phin.
»Das ist sie auch nicht, aber ihre Leute schauen sich die Keller an, und sie schickt Baylors und Morgans Teams zu der Benefizparty. Die Hälfte der restlichen Triaden ist in der Vorstadt und kümmert sich um vorgebliche Sichtungen von Kojoten und Geparden im historischen Viertel.«
»Scheiße«, sagte ich, denn damit waren sie meilenweit entfernt.
»Ablenkungsmanöver?«, fragte Phin.
»Ziemlich eindeutig.«
Ich war hin- und hergerissen zwischen meinem Wunsch, zum Theater zu rennen und zu helfen, und dem Bedürfnis, in
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