Die Rache der Jagerin
Rufus, aber letzte Nacht haben wir noch mehr Leute verloren. Wenn die Menschen die Scheiße, die da noch auf uns zukommt, heil überstehen sollen, müssen wir jeden Vorteil ausnutzen, den wir kriegen können. Und im Moment bist du das. Du bist ein erfahrener Handler und hast viele Jäger ausgebildet. Du bist nicht einfach so austauschbar.«
Sekunden vergingen, in denen das Quietschen eines Rollwagens und das Piepen eines Geräts vom Korridor zu uns hereindrangen. Draußen verdunkelte sich der Himmel. Vermutlich zog eine Wolke an der Sonne vorüber. Schließlich drehte Rufus den Kopf und erwiderte meinen Blick. In seinen haselnussbraunen Augen lag Entschlossenheit und … Bewunderung? Nein, das konnte es nicht sein.
»Du hättest als General Schlachten schlagen sollen«, meinte er.
Ich lächelte. »Manchmal fühle ich mich wie einer.«
»Wie sieht der Plan denn aus, mit dem du mich retten willst?«
»Sagen wir mal, dass sich etwas weiter oben in der Nahrungskette Dinge ändern werden, mit denen wahrscheinlich niemand rechnet.«
Er öffnete den Mund und bekam große Augen. »Du legst dich mit den Hohen Tieren an?«
»Wenn ich das bejahen würde, wärest du wahrscheinlich verpflichtet, ihnen das zu melden. Deshalb sage ich gar nichts. Nur so viel: Ich bin an ein Zeitlimit gebunden, weshalb ich hier nicht lange rumhängen und mit dir plaudern kann.« Ich berührte sein Handgelenk, denn das war die einzige Stelle an seinem Arm, die nicht verbunden war. »Ich wollte nur, dass du es weißt. So viel bin ich dir schuldig.«
»Ich habe das Gefühl, dass ich dir etwas schuldig bin, wenn die Sache erst überstanden ist.«
»Das werden wir ja sehen.«
»Also, wie genau willst du es anstellen, Leute, deren Identitäten ich nicht kenne, nicht aufzuspüren, um sie nicht von der Zusammenkunft bestrafen zu lassen? Wenn ich das nicht fragen darf?«
»Um ehrlich zu sein, habe ich keinen blassen Schimmer.« Ich zwinkerte ihm zu. »Deshalb sollte ich mich mal ins Zeug legen, anstatt Zeit zu vergeuden.«
»Viel Glück.«
»Danke. Und wenn du in den nächsten Tagen irgendwelche hilfreichen Eingebungen hast …«
»Dann melde ich mich bei dir.«
»Okay, also dann.«
Wir verabschiedeten uns nicht, denn es schien uns nicht wichtig. Während ich das Zimmer in Richtung Korridor durchquerte, fiel mir etwas ein, was Rufus zu Beginn unseres Gesprächs gesagt hatte. Und zwar die Bemerkung, dass er und Wyatt sich in ihrer Anfangszeit als Handler gehasst und sich über das Vorgehen der Triaden gestritten hätten. Ich wusste nicht viel über die Geschichte der Triaden, eigentlich kaum mehr, als dass sie vor ungefähr zehn Jahren begonnen hatte. Wir hatten eben keine Höhle wie Batman, kein Hauptquartier oder einen anderen Rückzugsort, an dem schriftlich festgehalten wurde, was wir in der Stadt so anstellten. Die Hohen Tiere dagegen saßen sich ihre Ärsche bestimmt auf irgendwelchen Akten breit, und es reizte mich zunehmend mehr, diese einmal in die Finger zu bekommen.
Etwas sagte mir, dass sie eine fesselnde Lektüre abgeben würden.
Beinahe wäre ich unbemerkt bis zu den Aufzügen gekommen. Beinahe.
»Evy, warte«, rief Wyatt mir hinterher.
Verdammt. Bevor ich mich umdrehte, drückte ich trotz allem auf den Knopf, um den Lift zu holen. Wyatt und Kismet liefen über den Flur auf mich zu und hatten beide denselben ratlosen Gesichtsausdruck. Als sie bei mir angelangt waren, war der Fahrstuhl immer noch nicht gekommen.
»Wo gehst du hin?«, fragte Kismet.
»Ich muss ein paar Dinge erledigen«, sagte ich. »Und wie immer habe ich kaum Zeit.«
»Wolltest du nicht warten?«, wollte Wyatt wissen. Das unausgesprochene »auf mich«, das aus seinem verletzten Tonfall herauszuhören war, hing schwer in der Luft.
»Rufus ist einer von uns«, meinte Kismet. »Was immer du vorhast, wir wollen dir helfen.«
»Wenn ihr eure Jobs behalten wollt, dann lasst ihr das besser«, erwiderte ich.
Wyatt kniff die Augen zusammen. »Was hast du mit Phineas ausgeheckt?«
»Wir haben einen kleinen Handel vereinbart. Wenn ich meinen Teil erfülle, entgeht Rufus der Strafe.«
»Und wenn nicht?«
»Dann muss wieder jemand sterben, bloß weil ich versagt habe.«
Darauf sagte Kismet: »Es muss doch etwas geben, das wir tun können, Stone.«
»Durchaus. Kannst du dich auf deine Jäger verlassen?«
»Ich würde ihnen mein Leben anvertrauen«, kam die Antwort ohne das geringste Zögern. Gut.
»Einer von ihnen soll mit Wyatt in meine Wohnung
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