Die Rache der Liebe
war bereits in seine Kleidung geschlüpft. »Die Sache duldet keinen Aufschub.«
Sofort verengten sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen. »Du brauchst dir keine Ausrede zurechtzuschustern, um dieses Bett zu verlassen!«
Ihre Worte sowie ihr anklagender Ton ließen ihn aufmerken, und er hätte schon ein einfältiger Narr sein müssen, um den Hintersinn ihrer Worte nicht zu verstehen. »Du bist die miss trauischste Frau, der ich je begegnet bin! «
»Bei dir gibt es auch allen Grund dafür!« schnappte sie zurück.
»Nay, da gibt es keinen Grund. Im Gegensatz zu deiner Meinung, liebe Gattin, ist es nicht meine Art zu lügen. Wenn ich dir sage, dass ich nie irgendein Interesse an Lida hatte und nie die Hand nach ihr ausgestreckt habe, es sei denn, um sie zu verscheuchen, dann kannst du mir das glauben. Und wenn ich dir außerdem sage, dass ich so viele Frauen gekannt habe, dass ich mich nicht einmal mehr an alle Namen entsinne, so kannst du das ebenfalls glauben. Warum sollte ich, angesichts der zahlreichen Frauen, ausgerechnet diese eine verleugnen?«
»Weil du diese nach deiner Hochzeit hattest!«
Er schenkte ihr einen langen, resignierten Blick, ehe er sagte: »Zieh dich an!«
»Warum?«
»Weil du mit mir kommst. Bei den Zähnen von Thor, ich trage mich ernsthaft mit dem Gedanken, dir wieder eine Leine umzulegen und dich überallhin mitzunehmen! Dann wirst du mich nicht länger irgendwelcher Vergehen beschuldigen können, die ich nie begangen habe! «
In Anbetracht dieser Drohung, die zudem mit bemerkenswerter Hitze ausgesprochen worden war, zog es Erika vor, nicht weiter über das Thema Lida mit ihm zu streiten und statt dessen seiner Aufforderung, ihn zu begleiten, nachzukommen. Rasch zog sie sich an und eilte in den fast fertigen Innenhof hinaus, wo er sie bereits erwartete. Als sie jedoch entdeckte, dass er nur ein Pferd mit sich führte, konnte sie sich einen neuerlichen Kommentar nicht verbeißen.
»Ich war schon einmal in deinem Stall, Selig, und deshalb weiß ich, dass du über eine beträchtliche Anzahl von Pferden verfügst. Werde ich denn nie die Erlaubnis erhalten, selbst eines zu reiten?«
Nun grinste er wieder. »Ich bin ein Lüstling, erinnerst du dich? Lüstlinge haben die Angewohnheit, Frauen zu betätscheln, wann immer sich die Gelegenheit bietet. «
»Ich will nicht betätschelt werden! « erwiderte sie streng, obwohl sie am liebsten gelacht hätte.
Sie muss te sich eingestehen, dass ihr Bruder mit seiner Meinung über Selig recht gehabt hatte. Wenn Selig nicht gerade auf Rache sann, konnte er ausgesprochen unterhaltsam und witzig sein. Und mittlerweile hatte er begonnen, sie nicht nur mit seinem sinnlichen Lächeln, sondern auch mit seinem Humor zu umgarnen.
Er hatte am See mit ihr Liebe gemacht. Und später im Bett hatte er sie noch einmal geliebt. Offenbar wollte er nach wie vor einen Neuanfang - oder er genoss es einfach, eine neue Frau zu erobern. Es bestand sogar die noch schlimmere Möglichkeit, dass dies für ihn nur eine weitere Form der Rache war: Er wollte sie dazu bringen, ihn zu lieben, damit er Macht über sie hätte und sie noch tiefer verletzen könnte.
Was immer sein Motiv sein mochte, sie würde ihm jedenfalls, allein schon aus Selbstschutz heraus, standhalten. Keinesfalls würde sie zulassen, dass ihre Gefühle für ihn noch intensiver würden. Und jene Gefühle, die sie bereits in sich entdeckt hatte, würde sie mit aller Macht zu ignorieren versuchen. Irgendwann würde er es hoffentlich leid sein, sie jedes Mal umschmeicheln zu müssen, wenn er mit ihr ins Bett wollte. Und hoffentlich würde sie nicht wieder durchdrehen, wenn er tatsächlich aufgeben und sich anderen Frauen zuwenden würde.
Etliche Stunden vor dem Morgengrauen trafen sie auf Wyndhurst ein. Selig hatte sich mittlerweile dafür entschieden, nicht die ganze Familie, sondern nur Royce zu wecken . Sie warteten auf ihn in Seligs ehemaligem Zimmer, damit die Dienstboten, die unten in der Halle schliefen, nicht durch ihre Unterhaltung geweckt würden. Eine Magd hatte Kerzen entzündet, die ein behagliches Licht verströmten.
»Hast du entschieden, dass es dir hier besser gefällt?« waren Royces erste Worte, die er in trockenem Tonfall von sich gab.
Selig antwortete nicht wie sonst mit einem Scherz, sondern blieb ernst. »Ich bedaure, dich geweckt zu haben, aber ich denke, dass du sofort etwas unternehmen willst, wenn du gehört hast, was ich dir mitzuteilen habe. «
Nun wurde auch Royces Miene
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