Die Rache der Liebe
wagen, allein wegzugehen, dann schwöre ich dir, dass ich dich in Ketten zurückbringen werde!«
Turgeis, der hinter ihnen stand, räusperte sich vernehmlich. »Du könntest womöglich eine Antwort von ihr bekommen, wenn du ihre Handfesseln löst und den Knebel herausnimmst!«
Selig lachte. Vor Erleichterung war ihm beinahe schon schwindlig. Und Erika versuchte tatsächlich, etwas durch ihren Knebel hindurch zu sagen, offenbar handelte es sich um etwas sehr Wichtiges.
Er durchtrennte die letzte Fessel. Ihre Arme waren steif, doch es gelang ihr, sie zu heben, um sich den Knebel selbst herauszuziehen. Gleich darauf sprang sie auf und zerrte wie eine Wahnsinnige an ihrem Gewand.
»Hilf mir!« kreischte sie. »Zieh sie aus! «
»Was soll ich ausziehen?«
»Meine Kleider! Ich bin über und über mit Käfern bedeckt!«
Ihre Hysterie ging auch auf ihn über, und gemeinsam zogen sie ihr nun die Kleider vom Leib. Noch nie im Leben war sie derart schnell ausgezogen gewesen. Obwohl er nicht mehr als zwei Insekten auf ihr krabbeln sah, rieb und kratzte und schlug sie sich überall. Er half ihr, wenn auch sehr viel sanfter, strich mit den Händen über ihre Haut und redete ihr beruhigend zu, als wäre sie ein verstörtes Kind.
»Meine Haare!« rief sie panisch, worauf er akribisch jede einzelne Strähne untersuchte, bis er ihr versichern konnte, dass sich kein einziger Käfer mehr darin befand.
Nun brach sie an seiner Brust zusammen, umschlang ihn, dankte ihm, weinte. Unversehens wurde er sich ihrer Nacktheit bewußt - und dass sie nicht allein waren. Er schaute sich nach Turgeis um, doch der Riese schenkte ihnen keinerlei Aufmerksamkeit. Er saß, den Rücken ihnen zugewandt, auf dem Boden und widmete sich Erikas Gewändern mit derselben Sorgfalt, die Selig zuvor für ihre Haare aufgebracht hatte, überprüfte jeden winzigen Flecken von innen und außen, bis jegliches Getier entfernt war. Der Anblick dieses furchteinflößenden Wikingers, der gewissenhaft Käfer aus den Gewändern einer Lady herauspickte, war so befremdlich, dass Selig am liebsten laut gelacht hätte. Doch das tat er nicht. Seit dem heutigen Tag konnte sich Turgeis seiner lebenslangen Freundschaft sicher sein.
Erst nachdem sich Erika wieder angezogen hatte, war sie imstande, sich über ihre Befreiung Gedanken zu machen. Die Tatsache, dass man sie nun doch gefunden hatte, ließ nur einen Schluss zu. »Hast du meinetwegen die Herausforderung zurückgenommen?« fragte sie Selig erstaunt.
So peinlich es ihm auch war, muss te er nun doch zugeben: »Das hätte ich, wäre ich statt dessen nicht zum Berserker geworden! «
»Er hat Lord Durwyn mit bloßen Händen angegriffen«, erläuterte Turgeis.
»Und niemand wurde losgeschickt, mich zu töten?«
»Turgeis hat sofort die Tore verschlossen, damit niemand Wyndhurst verlassen konnte. «
Erika ging zu dem Riesen hinüber und umarmte ihn. »Auf dich kann ich mich immer verlassen, mein Freund. «
»Immer.«
»Und wirst du mir sehr lange böse sein, weil ich einfach ohne dich weggegangen bin?«
»Nicht allzulange.«
Nun schob sich Selig zwischen die beiden und zog Erika besitzergreifend an seine Seite. Fragend schaute sie ihn an.
»Wir müssen nach Wyndhurst zurückkehren«, redete sich Selig heraus.
Turgeis brach in tiefes, dröhnendes Gelächter aus, wofür er von Selig einen säuerlichen Blick erntete. Dann gingen sie zu den Pferden. Obwohl ihnen nun mehr als genug Pferde zur Verfügung standen, beharrte Selig erneut darauf, mit Erika auf einem Pferd zu reiten. Diesmal hatte sie keine Einwände. Und sie bezweifelte, ob sie jemals wieder welche haben würde.
Hinter den Toren wurden sie von Seligs gesamter Familie erwartet. Im Burghof war wieder der Alltag eingekehrt. Royce war es gelungen, Durwyns restliche Mannen zu identifizieren, die mittlerweile alle am Gefangenenpfahl angekettet waren.
»Das ist Lord Durwyn?« fragte Erika, den Mann verdutzt anstarrend.
»Du kennst ihn?« erkundigte sich Selig.
»Er hat dich mit Alfred gesehen und mich gefragt, wer du bist. Selbst hat er sich allerdings nicht vorgestellt, und ich war zu traurig, um mich über sein Interesse an dir zu wundern.«
Stirnrunzelnd betrachtete Selig seine Gemahlin. »Wir werden uns über diese Traurigkeit, die dich zu derart närrischen Sachen verleitet, noch genauer unterhalten müssen.«
»Oh, das können wir gerne tun«, versprach sie und klang dabei kein bisschen traurig. »Aber wie hast du mich denn nun gefunden, wenn dir
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