Die Rache der Liebe
Moment blitzte auch schon ihr Dolch auf und schoss auf das Bein zu.
Als hätte der Mann mit diesem Angriff gerechnet, sprang er flink zurück. Gleich darauf rollte sich Kristen aus dem Wagen, allerdings auf der anderen Seite, wo Erika sie nicht sehen konnte. Dafür aber der Fremde, da beide groß genug waren, sich mit Leichtigkeit auch über das Wagengestell hinweg anzufunkeln.
»Ich wußte, dass ich irgendwann den Tag verfluchen würde, an dem dein Vater ihn dir überreicht hat«, sagte er.
Er sprach über den Dolch, wurde Erika klar, obgleich sie nicht jedes Wort verstanden hatte. Nachdem sie in dieses Land gekommen war, hatte sie die angelsächsische Sprache zwar lernen müssen, war aber nie wirklich in deren Tiefen eingedrungen, da sie es vorgezogen hatte, Ragnars Leuten statt dessen das Dänische beizubringen.
Aber die Norwegerin sprach fließend angelsächsisch und mit demselben unbekannten Akzent wie der Mann. »Warte einen Moment, dann werde ich das Schwert holen, das du mir geschenkt hast, Angelsachse!«
Er runzelte die Brauen so grimmig, dass sie sich über der Nasenwurzel berührten. »Ich werde dich so verprügeln, dass du nirgendwo mehr hingehen kannst, Wikingerin! Du lässt mir keine andere Wahl!« brüllte er nun.
»Ha, wie willst du das denn ohne Hilfe schaffen?« schrie Kristen zurück.
Erika war über Kristens provokante Antwort mehr als verblüfft. Und die Herausforderung wurde angenommen: Der Angelsachse gab ein Knurren von sich und machte Anstalten, über den Wagen zu steigen, um auf die andere Seite zu Kristen zu gelangen.
Aber Kristen kreischte: »Nay, Selig darf nicht gestört werden! Ich werde zu dir kommen! «
Zu ihm gehen und sich wieder in seine Reichweite begeben? Erika hätte das nicht gewagt, sondern wäre vielmehr wie der Blitz davongerannt. Aber schon tauchte Kristen links von Erika auf und schritt, ohne sie eines Blickes zu würdigen, über ihre ausgestreckten Beine hinweg geradewegs auf den Mann zu. Sobald sie ihn erreicht hatte, versetzte sie ihm mit der Faust einen Schlag auf die Brust. Er rührte sich nicht von der Stelle, hob allerdings auch keine Hand zum Gegenschlag. Seine Miene war allerdings unverändert wütend. Und Kristens nicht minder.
»Du hättest wenigstens die Stimme senken können, du Flegel!« zischte Kristen ihn an. »Die lachen sich doch krumm und dämlich!«
Wie Erika bemerkte, lachten tatsächlich etliche Männer. Dadurch verlor auch Erika ein wenig ihre Angst, die sie angesichts dieser beiden Kampfhähne verspürt hatte.
»Wenn ich dich jetzt gleich übers Knie legen werde, werden sie noch mehr zu lachen haben! « erfolgte die geknurrte Antwort.
Nun wich Kristen doch einen Schritt zurück. Noch ein Schritt weiter, und sie würde über Erikas Beine stolpern, doch Kristen schien der Abstand zwischen ihr und dem Mann zu genügen. Die Aussicht, übers Knie gelegt zu werden, war ihr offenbar unangenehmer als die, wirkliche Prügel zu beziehen. Erika fand das faszinierend.
Beträchtlich abgekühlt sagte Kristen nun: »Ich kann es dir erklären, Royce.«
Daran war er scheinbar nicht interessiert. »Du kannst es mir erklären, nachdem ich dich übers Knie gelegt habe! «
»O h , wie gemein!«
»Du bist mit meinen Männern weggeritten ... «
»Und Seligs Männern«, warf sie ein. »Zusammen könnte uns nur eine große Armee schlagen, und all die großen Armeen sind aufgelöst,«
Auch dies vermochte ihn nicht friedlicher zu stimmen. »Du hast dich meinem Befehl mutwillig widersetzt, Frau! Nie hätte ich dir gestattet, allein loszureiten, und das weißt du sehr wohl!«
Erneut strafften sich die Schultern der Norwegerin. »Wärst du pünktlich zurückgekehrt, hättest du auch den Boten angetroffen, der mir mitteilte, dass man Selig gefangengenommen hat. Glaubst du, ich hätte mit diesem Wissen seelenruhig zu Hause bleiben und auf dich warten können? Und es ist gut, dass ich nicht gewartet habe. Er ist halbtot von den Martern, die man ihm zugefügt hat. Einen weiteren Tag auf Gronwood hätte er womöglich nicht überlebt.«
Dieses Urteil ließ Erika zusammenzucken. Doch der Ärger des Mannes flaute ab, und er nahm Kristen nun tatsächlich in die Arme. Er wollte sie trösten, und die Norwegerin nahm dieses Angebot freudig an. Als Erika die beiden beobachtete, wurde sie noch niedergeschlagener.
»Wo ist er?« fragte Royce nach einer Weile des Herzens und Kosens.
»Im Wagen. Wahrscheinlich ist er von dem Lärm, den du veranstaltet hast, sowieso
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