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Die Rache der Liebe

Die Rache der Liebe

Titel: Die Rache der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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Fesseln zu befreien.
    Während Erika ihren Körper einer Bestandsaufnahme unterzog, war der Mann zunächst einmal vergessen. Sie bemühte sich, das rohe Fleisch im Inneren ihrer Wange nicht mit der Zunge zu berühren, da dort mittlerweile die Taubheit geschwunden und die Stelle wahrscheinlich überaus schmerzempfindlich war. Langsam drehte sie den Kopf hin und her, bis die Verspannung gelöst war und sie ihn wieder ohne Aufwimmern bewegen konnte. Jetzt endlich war sie imstande, den Kopf zu heben und den stummen Mann zu betrachten.
    Er hatte sich während dieser Zeit kein einziges Mal aus seiner breitbeinigen Haltung bewegt. Sein Schwert steckte in der Scheide, und in dem breiten, metallbeschlagenen Gürtel, auf dessen Schnalle ein einzelner Granat funkelte, befand sich sein Scramasax, jenes kurze, einschneidige Messer, das die Angelsachsen benutzten, um einem niedergestreckten Gegner den Todesstoß zu verpassen. Er trug einen grünen Überrock und darüber ein kurzärmeliges Kettenhemd, dessen Maschen dicker als die der Beinpanzer waren. Im Gegensatz zu seiner schmalen Taille mit dem eng geschnürten Gürtel wirkten seine Schultern auffallend breit.
    Über seiner Brust kreuzten sich mächtige Arme. Eine Flut dunkelbrauner Haare fiel ihm bis auf die Schultern, und Augen von tiefstem Grün blickten direkt auf Erika herab. Sie war sich nicht sicher, welche Gefühle seine Züge widerspiegelten, nur eines stand fest: Sie waren alles andere als friedfertig.
    Doch nicht allein dies ließ ihr den Atem stocken, sondern auch die Feststellung, wie ungemein gutaussehend dieser Mann war - und wie groß. Sie hätte ihn für einen Angelsachsen gehalten, wäre da nicht seine stattliche Größe, mit der er ihren Bruder sicher um einen halben Fuß überragte. Und sie kannte den Mann nicht, denn gestern hatte sie sämtliche Männer im Lager prüfend gemustert, in der Hoffnung, vielleicht doch irgendwo ein freundliches Gesicht zu entdecken . Es war vergeblich gewesen, aber zumindest vermochte sie sicher zu sagen, dass dieser Mann gestern noch nicht hier gewesen war, denn sonst hätte sie sich an ihn erinnert.
    Obwohl er auf sie herunterschaute, ruhte sein Blick nicht auf ihr, sondern auf dem Wagen. Wie Erika wußte, konnte er nur unterhalb der zugezogenen Plane ein kleines Stück ins Innere spähen - genau zu der Stelle hin, wo die Norwegerin noch in seliger Ahnungslosigkeit ob des fremden Besuchers schlief.
    Erika hatte es als überaus störend empfunden, dass die andere Frau direkt auf der anderen Seite des Wagenrads schlief, in unmittelbarer Nähe also, damit ihr auch nicht die kleinste Bewegung ihrer Gefangenen entging. Obwohl Kristen Wachposten bestimmt hatte, die sowohl Erika bewachen als auch nach dem Riesen Ausschau halten sollten, hatte sie es sich nicht nehmen lassen, mit dem Dolch in der Hand direkt neben Erika ihr Lager aufzuschlagen.
    Gerade drehte sich die Wikingerin um, was nicht zu übersehen war, da dabei ihr langes gelöstes Haar aus dem Wagen heraus direkt auf den Boden quoll. Und gleich darauf stemmte sich ein Stiefel des Fremden auf diese lohfarbene Fülle, aus Versehen oder ... Nay, das war kein Versehen. Er wollte, dass die Norwegerin erwachte, und beschleunigte dies, indem er mit seinem Stiefel an ihren Haaren zog.
    Dieser Anblick ließ Erika abermals den Atem stocken, denn er konnte nur eines bedeuten: Der Mann war ein Feind dieser Leute. Der wutentbrannte Ausdruck auf seinem anziehenden Gesicht ließ gar keinen anderen Schluss zu. Und der Fremde schien es vor allem auf die Schwester des Wikingers abgesehen zu haben. Doch selbst wenn er ungehindert ins Lager hatte eindringen können, wieso war er dann nicht von Turgeis aufgehalten worden?
    Das Lager? In der Erwartung, ein Meer von Leichen zu sehen, schaute sich Erika um, aber da waren keine Leichen. Nay, die Männer waren quicklebendig, manche aßen, andere wieder schauten nach ihren Pferden, die meisten indes blickten zum Wagen herüber. Demnach war der Mann kein Feind, war einer von ihnen, aber weshalb dann dieser Zorn? Und wieso störte es die anderen Männer nicht, dass sich dieser Zorn eindeutig gegen ihre Lady richtete?
    »Autsch!«
    Kristen hatte schließlich bemerkt, dass etwas an ihren Haaren zog. Sie streckte den Kopf heraus, um zu sehen, woran sie sich verhakt hatte, entdeckte den Fuß und ließ den Blick dann ungläubig weiterwandern, um herauszufinden, wer sich zu so etwas erdreistete. Ihre leuchtenden Wasseraugen wurden weit, doch im nächsten

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