Die Rache der Liebe
wehrte sich nicht wirklich gegen ihn, obwohl der Drang dazu schier überwältigend war. Aber sie wußte, wie sinnlos das wäre. Sie würden sie so oder so anketten, und wenn sie ihnen durch wilde Gegenwehr zeigen würde, wie entsetzlich das tatsächlich für sie war, würden sie sich daran nur noch mehr ergötzen. Also kämpfte sie nicht, und nur Ivarr konnte ihren Widerstand spüren.
Sie zwang sich zu einer ausdruckslosen, gleichgültigen Miene. Selig sollte nicht erfahren, welch schreckliche Angst sie hatte. Ketten waren so beständig, so unzerreißbar, lieferten einen ganz und gar der Willkür des anderen aus. Fesseln boten noch eine winzi ge Chance auf Flucht. Ketten bo ten keinerlei Chance mehr.
Jetzt verstand sie, weshalb die Kerzen noch brannten, weshalb Selig keine Anstalten zu schlafen gemacht hatte. Er hatte auf diesen Augenblick gewartet, ihn herbeigesehnt, und nun würde er ihn zur Fülle auskosten, indem er die Ketten selbst anlegte.
Süße Freya, sie wollte nicht angekettet werden! Aber Selig, der Gesegnete, kannte kein Erbarmen.
Sie wurde vor ihn geschoben, direkt zwischen seine gesp r eizten Knie. Das war einfach zu nah! Er saß nackt auf dem Bett, nur einen Zipfel der Decke über seinen Schoß drapiert. Aber als sie versuchte, zurückzuweichen, stieß sie gegen Ivarr, der direkt hinter ihr stand.
Ivarr hatte die Ketten auf Seligs Bett geworfen. Erika konnte sie nun genauer betrachten, wodurch sie gleichzeitig die Möglichkeit erhielt, ihren Blick auf etwas anderes zu konzentrieren als auf diesen nackten Mann vor ihr. Ivarrs Worten hatte sie entnommen, dass es sich nicht um gewöhnliche, sondern um eigens nach Seligs Wünschen angefertigte Ketten handelte. Dennoch überraschte es sie nun, wie ungewöhnlich sie tatsächlich waren.
Die Metallglieder waren nicht nur dünn, wie Ivarr erwähnt hatte, sondern darüber hinaus auch ziemlich klein, fast schon zierlich. Derlei Ketten hatte sie noch nie gesehen, zumindest nicht für diesen Zweck. Normalerweise fanden sich so schmale Glieder nur bei Kettengürteln aus Gold oder Silber. Eigentlich wirkten die Ketten völlig nutzlos, viel zu zerbrechlich, als dass sie irgendetwas halten könnten. In Erika keimte Hoffnung auf, nur um im nächsten Moment wieder zu schwinden. Ivarr hatte die Ketten getestet. Wenn er sie nicht zerreißen konnte, dann vermochte sie es ganz gewiss nicht.
Die mit den Ketten verbundenen Schellen waren zwar von normaler Größe, besaßen aber ebenfalls eine Eigenart. Die breiten Eisenbänder waren mit Leder bezogen, in das schmale Schlitze für die Befestigungsringe eingearbeitet waren. Erikas Haut würde also geschont werden. Weshalb sich Selig um ihre Haut Gedanken machen sollte, war ihr freilich unverständlich.
»Gib mir deine rechte Hand! «
Sie zögerte, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. Wenn sie es irgendwie vermeiden könnte, so würde sie ihm nicht zeigen, wie entsetzlich dies für sie war. Ihn in dem Glauben wiegen, es spiele für sie keine Rolle, welche Art von Zwangsmaßnahmen er anwendete. Aber als die erste Schelle um ihr Handgelenk zuschnappte, fiel es ihr doch schwer, Haltung zu bewahren.
Die Handschelle saß derart eng, dass jeglicher Versuch, die Hand herauszuziehen, sinnlos wäre. Obwohl für das zarte Gelenk einer Frau angefertigt, war die Schelle doch so schwer, dass Erikas Arm unter dem Gewicht nach unten fiel.
Noch ehe er sie dazu auffordern konnte, reichte sie ihm ihre andere Hand. Seine Miene veränderte sich, wirkte nicht mehr ganz so zufrieden.
Hatte er etwa gehofft, ihr die Ketten gewaltsam aufzuzwingen? Zu schade!
»Halt dich an Ivarr fest und streck deinen rechten Fuß aus!« befahl er nun.
Zur Hölle mit Ivarr! Ohne dabei aus dem Gleichgewicht zu geraten, hob sie den Fuß und ließ sich die nächste Schelle umlegen. Abermals hielt sie ihm den anderen Fuß hin, noch ehe er sie dazu auffordern konnte. Doch als sein letzter Befehl ertönte, war es mit ihren guten Vorsätzen vorbei.
»Auf die Knie, Weib! «
Reglos blieb sie stehen. Eine Braue fragend gehoben, schaute er zu ihr auf. Sie funkelte zurück und kreuzte die Arme vor der Brust, was dank der gut zwei Fuß langen Kette zwischen ihren Händen möglich war.
Als Ivarr die Hand auf Erikas Schulter legte, um sie zu Boden zu zwingen, schüttelte Selig den Kopf. Nur um gleich darauf vorzuführen, wofür die Ketten, abgesehen von ihrer allgemeinen Verwendung, zusätzlich genutzt werden konnten.
Er packte die Kette, die von ihren
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