Die Rache der Liebe
»Alfred könnte dich auffordern, die Lady freizulassen. Und es ist nicht klug, einem König etwas abzuschlagen, es sei denn, man hat einen wirklich sehr überzeugenden Grund.«
»Mein Grund wäre ausreichend«, beharrte Selig.
»So ungerechtfertigt es auch erscheinen mag, aber Könige betrachten Rache nicht als angemessenen Grund.«
»Besonders, wenn dadurch der Frieden ihres Königreichs bedroht werden könnte«, fügte Kristen hinzu.
»Und es gefällt ihnen auch nicht, wenn sich leistungsfähige Männer, die sie als Gefolgsmänner benötigen, in Privatkriegen zermürben«, ergänzte Royce.
Ein Argument folgte auf das andere. Brenna sah keinen An lass , sich einzumischen. Und auch Garrick nicht, der vielmehr die Gelegenheit ergriff, zu Erika zu gehen.
»Er hat aus dir also eine Sklavin gemacht, die er wie ein Haustier hält?«
Das Wort »Haustier« stieß Erika noch schlimmer auf als »Sklavin«, denn besser ließe sich ihre Situation gar nicht umschreiben: Selig behandelte sie wie ein Tier, wie ein drolliges Haustier, das einzig seinem Vergnügen diente; ein Lebewesen, das weder gewalttätig noch gefährlich war, dafür aber so dumm, dass es nur an der Leine nach draußen geführt werden konnte.
Es war das erste Mal, dass Seligs Vater sie ansprach, obwohl er schon des Öfteren in Seligs Zimmer gekommen war. Sie fragte sich nun, ob er womöglich ebenso niederträchtig war wie sein Sohn und ihre Situation nur deshalb hervorgehoben hatte, um sie noch mehr zu demütigen. Seiner nach wie vor unbeteiligten Miene konnte sie nichts entnehmen.
»Er glaubt, dass er mich versklavt hat!«
Erikas Antwort ließ Garrick leise auflachen. »Genau das war damals auch die Meinung meiner Gattin. Sie hätte nie zugegeben, dass sie meine Sklavin und mein Eigentum war.«
Erika war sprachlos. Dann waren sowohl Tochter als auch Mutter einst die Sklavinnen jener Männer gewesen, die sie hinterher geheiratet hatten? Kein Wunder, dass Selig so auf Versklavung versessen war. Er folgte einfach der Familientradition.
Der Gedanke war beängstigend, aber zumindest würde sie nicht wie seine Mutter und Schwester enden und ihren Sklavenwärter heiraten. Diese Chance war genauso groß wie die, dass sie innerhalb der nächsten Stunde in die Freiheit entlassen würde.
»Aber bald war sie es, die Besitz von meinem Herzen und meiner Seele ergriff«, fuhr Garrick, in Erinnerungen versunken, fort. »Und weißt du, wie sie das gemacht hat, Weib?«
»Ich will nicht ... «
»Mit unbezähmbarem Willen und unbeugsamem Stolz. In einem Land voller Schnee und Eis war sie ein loderndes Feuer, mit dem Herzen eines Kriegers - und den Fähigkeiten eines Kriegers. Erst hat sie mir Bewunderung abgerungen und dann mein Herz. Wirst du deinen Stolz brechen lassen?«
Sie wünschte, er würde ihre Person nicht in seine Betrachtungen mit einbeziehen . »Nay«, erwiderte sie steif, »aber einzig deshalb, weil das für mich wichtig ist und nicht, weil ich ihn beeindrucken will.«
»Dein Zorn ist verständlich.«
»Zorn ist noch milde ausgedrückt!« berichtigte sie ihn.
Garrick betrachtete sie mit nachdenklichem Blick. »Es ist wirklich bedauerlich, wie er dich behandelt - und völlig unüblich.«
»Du meinst, normalerweise versklavt er nicht jede Frau, die ihn auspeitschen lässt ?«
»Sei nicht schnippisch zu mir, mein Kind«, wies er sie freundlich zurecht. »Ich wollte damit sagen, dass er noch nie im Leben eine Frau verletzt hat. Dazu liebt er die Frauen viel zu sehr.«
»Außer mir.«
»Außer dir«, stimmte er zu.
Erika hielt das Gespräch nun für beendet. Hinter ihr war der Streit noch in vollem Gang. Aber Garrick machte keine Anstalten, sie zu verlassen.
Nach einem kurzen, unbehaglichen Schweigen bemerkte er: »Meine Tochter setzt sich sehr leidenschaftlich für dich ein.«
Darüber konnte Erika nur verächtlich schnauben. »Deine Tochter würde für mich keinen Finger rühren. Sie verabscheut nur den Anblick meiner Ketten.«
»Täusch dich nicht über Kristens Motive. Seligs Verhalten hat sie ziemlich verstört.«
»Dich nicht?«
»Nay, nicht wirklich.«
»Willst du damit etwa andeuten, Männern sei Rache vertrauter als Frauen? Ich bezweifle das.«
»Dann dürstet es dich also ebenfalls nach Rache?«
Erika war nicht so sehr über die Frage verblüfft, sondern über ihre Antwort. »Ich habe noch keinmal an Rache gedacht. Im Moment sehne ich mich einzig und allein nach Freiheit. Aber vermutlich wird irgendwann auch der Wunsch nach Rache
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