Die Rache der Liebe
erwachen.«
»Dann können wir nur hoffen, dass du deine Freiheit noch vorher erlangst«, sagte er.
Erika kam aus dem Staunen nicht heraus. »Du billigst sein Tun also nicht?«
»Grausamkeit und Rücksichtslosigkeit entsprechen seinem Wesen eigentlich überhaupt nicht. Deshalb ist seine Schwester auch so durcheinander. Ich glaube, dass er seine Handlungsweise irgendwann sehr bedauern wird.«
»Du könntest ihn überreden, mich gehen zu lassen.«
Er lächelte sie an, es war kein unfreundliches Lächeln. »Es dürfte dir nicht entgangen sein, Erika von Gronwood, dass mein Sohn in einem Alter ist, in dem er seinem Vater nicht länger zu gehorchen braucht. Ich kann ihm nur mehr Ratschläge erteilen, sonst nichts.«
»Wirst du das tun?«
»Nicht in Bezug auf dich. Meine Gattin und ich haben beschlossen, uns nicht einzumischen.«
Ein weiterer winziger Hoffnungsfunke zerstob. Enttäuscht wandte sich Erika von ihm ab und lenkte ihr Augenmerk wieder auf den Rest der Familie. Doch der Rest der Familie bestand nur mehr aus Royce und Selig. Selig hatte sich rittlings auf die Bank gesetzt, so dass er sie beobachten konnte - und hatte vermutlich einen guten Teil ihres Gespräches belauscht.
Trotzig reckte sie ihr Kinn, nur um gleich darauf ein Ziehen an ihrem Hals zu fühlen, das sie langsam nach vorne zwang. Immer weiter wickelte er die Kette um seine Faust. Wollte er etwa vorführen, wie sich seine kleine Haussklavin vor ihm verbeugte? Er ging nicht ganz so weit, sondern hörte kurz vorher auf. Sie stand nun so nah vor ihm, dass er zu ihr aufblicken muss te, was ihm allerdings nichts auszumachen schien.
Auf dem Tisch hinter ihm entdeckte sie ein Brett mit Speisen, das ihm jemand gebracht haben muss te, obwohl die Zeit zum Abendessen noch lange nicht gekommen war. Der Mann hatte in den letzten zwei Wochen genug Nahrung zu sich genommen, um ein ganzes Heer zu sättigen. Offenbar waren die Frauen in der Halle entschlossen, ihn noch weiter zu mästen.
»Wenn du mich >Herr< nennst, darfst du dich neben mich setzen und etwas essen.«
Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »So würde ich dich ganz bestimmt nicht nennen!«
Er grinste, um ihr zu zeigen, dass er den Hintersinn ihrer Worte wohl verstanden hatte. »Dann muss t du niederknien und aus meiner Hand essen.«
Ebenso gut hätte er »wie ein Hund« hinzufügen können, dachte Erika bei sich, ehe sie kühl sagte: »Danke, ich werde gar nicht essen.«
»Oh, das wirst du wohl. Nahrung ist wichtig für deine Gesundheit, die ich gerne erhalten möchte. Kleidung ist allerdings nicht so wichtig.«
Aus ihrem Gesicht wich jeder Blutstropf en. Er würde sie vor all diesen Menschen hier nackt ausziehen! Damit wäre ihre Demütigung vollkommen, und genau das strebte er ja auch an.
Doch sie war momentan nicht in allzu gefügiger Stimmung, womöglich deshalb, weil sie überzeugt war, dass er seinen Willen früher oder später sowieso durchsetzen würde, ganz gleichgültig, wie sie sich auch verhielte. Er würde ihr diese Demütigung nicht ersparen. Und ob jetzt oder später - was machte das für einen Unterschied?
»Mach, was du willst«, sagte sie so gleichgültig, wie sie vermochte.
»Genau das ist meine Absicht, Weib! Ich werde genau das tun, was ich will!«
Er lachte, bemerkte ihre innere Anspannung und dass sie auf das Schlimmste gefaßt war. Dieses Gefühl der Überlegenheit war mehr als nur befriedigend. Es war ein beinahe schon sexuelles Vergnügen. Das würde er sich nicht nehmen lassen, auch nicht von einem König.
»Aber für heute sei dir noch eine Gnadenfrist gewährt«, sagte er deshalb. »Meine Schwester hat mich überzeugt, dass es für mich nicht von Vorteil wäre, dich dem angelsächsischen König vorzustellen. Also werden wir warten, bis er wieder abgereist ist, um dann zu sehen, ob es dir lieber ist, mir aus der Hand zu essen - oder mich Herr zu nennen.«
Erika hoffte im stillen, der König möge seinen Hof nach Wyndhurst verlegen und seinen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit ausdehnen. Denn das, was ihr nach seiner Abreise drohte, war schlichtweg unerträglich.
25
In den folgenden zwei Tagen blieb Erika mehr oder weniger sich selbst überlassen. Ihr war das nur lieb, auch wenn sie in ihrer Bewegungsfreiheit empfindlich eingeschränkt war. Als Selig sie an jenem Tag kurz vor der Ankunft des Königs wieder in sein Gemach gebracht hatte, hatte er nicht nur die Tür abgesperrt, sondern Erika zuvor auch an die Wand gekettet. Er wollte während
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