Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
sich unter einem Vorwand erlauben, sich Zutritt zu den Frauengemächern zu verschaffen.
Der Wachposten ließ ihn auch unbeanstandet durch, als er in demütigster Manier fragte, ob er eintreten dürfe, weil Gräfin Ottgild mit ihm eine Bibelstelle durchgehen wolle, die Bibel hatte er – wie stets – sowieso zur Hand. In den Gängen hörte er schon Spielleute musizieren und folgte einfach seinem Gehör. Gut zwanzig Damen in farbenprächtigen Kleidern saßen oder standen in einer fröhlichen Runde und sahen, den Takt mitklatschend, sechs blutjungen Mädchen zu, die unbeschwert kichernd unter der Anleitung von Gräfin Ottgild einen Ringeltanz zur Musik von zwei Spielleuten mit Laute und Fiedel einübten. Er sah eine Weile zu, und es juckte ihn in den Füßen. Im Grunde war er nun mal eine Frohnatur, am liebsten hätte er mitgetanzt, ein wenig Zerstreuung zwischen all den Sorgen hätte ihm gutgetan, aber das war nun wirklich weder der Ort noch die Zeit dazu. Als Gräfin Ottgild seiner gewahr wurde, kam sie auf ihn zu und nahm ihn beiseite. Den anderen gab sie ein Zeichen, dass sie ohne sie weitermachen sollten.
»Ist etwas mit dem König?«, fragte sie leise und besorgt, als sie sich in eine Ecke verzogen hatten, neugierig und verstohlen beäugt von einigen Damen.
»Nein, nein, es geht ihm zunehmend besser«, beruhigte Bruder Thomas. »Aber ich habe eine Nachricht des Königs für Gräfin Elisabeth, wenn es statthaft ist …«
»Dann scheint es ihm ja wirklich nicht mehr so schlecht zu gehen«, lächelte Gräfin Ottgild vielsagend. »Wartet, ich hole sie. Sie wird sich sehr freuen.«
Bruder Thomas war gespannt, welches der anmutig tanzenden Mädchen die Gräfin Elisabeth von Bayern war, und welche wohl seiner Meinung nach am besten zu Konrad passte. Er war dann nicht überrascht, als die Gräfin die Hübscheste herauspickte und ihr ein paar Worte ins Ohr flüsterte, woraufhin ihre Augen sofort in seine Richtung gingen. Sie kam förmlich auf ihn zugeflogen und fragte ihn, noch atemlos vom Tanz: »Ihr habt Nachricht von Seiner Majestät? Ist er auf dem Weg der Besserung?«
Bruder Thomas neigte höflich seinen Kopf. »Ihr seid Gräfin Elisabeth?«
»Verzeiht meine Voreiligkeit, ja, ich bin Elisabeth. Ihr seid der Infirmarius der Medica, ich habe Euch schon zusammen mit ihr gesehen. Doch jetzt sagt mir – wie geht es ihm?«
Die Sorge um den König schien Bruder Thomas echt und nicht aufgesetzt zu sein. Er senkte seine Stimme zu einem Flüsterton. »Ihr müsst mir versprechen, das, was ich Euch jetzt sage, für Euch zu behalten. Es ist sehr wichtig, versteht Ihr?«
Sie nickte, aber ihr fragender Blick blieb.
»Er wird wieder gesund werden«, flüsterte er. »Aber behaltet das unbedingt für Euch!«
Sie schloss für einen Augenblick voller Inbrunst die Augen und faltete die Hände. »Dem Herrn sei’s gedankt! Ich habe so um seine Genesung gebetet!« Dann bekreuzigte sie sich. »Ihr habt eine Nachricht für mich?«
Bruder Thomas achtete darauf, dass niemand sah, wie er Gräfin Elisabeth das gefaltete Dokument übergab. »Es ist ein Geschenk an Euch. Lasst es niemanden sehen. Es ist nur für Eure Augen bestimmt. Der König hat mir aufgetragen, Euch auszurichten, dass er diesen Brief mit seinen besten Empfehlungen schickt.«
Geschickt ließ ihn Elisabeth in einer Falte ihres Kleides verschwinden.
»Wenn Euch eine von Euren neugierigen Mädchen fragt, was es mit mir so Heimliches zu besprechen gab, dann sagt Ihr, dass Ihr mich für eine Beichtstunde einbestellt habt.«
»Das will ich tun! Ihr glaubt nicht, wie sehr Ihr mein Herz erleichtert habt! Sagt Seiner Majestät … Ach, sagt ihm einfach, wie froh ich bin, wenn ich ihn gesund wiedersehen darf. Sagt ihm das!«
»Gräfin …«, grüßte Bruder Thomas, verneigte sich formvollendet und sah zu, wie Elisabeth sich wieder bei den Tanzenden einreihte. Er verabschiedete sich von Gräfin Ottgild mit einem Kopfnicken, dann ging er, um die Speise für den König zu holen.
Als Bruder Thomas durch die Halle zur Burgküche eilte, staunte er, wie viele Leute dort inzwischen zugange waren; dass der Hoftag in zwei Tagen beginnen sollte, war unverkennbar. Die letzten Vorkehrungen für den großen Fest- und Bankettsaal wurden von Handwerkern getroffen, Sitzreihen errichtet, es wurde gesägt und gehämmert, durch die Gänge zur großen Küche zogen schon die köstlichsten Wohlgerüche, es war noch Fastenzeit, trotzdem roch es bereits verführerisch nach Gewürzen,
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