Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
musste.
Bruder Thomas empfand es geradezu als Wohltat, aus den Gefilden der lärmenden und aufgeregten Betriebsamkeit der Burgküche wieder herauszukommen und sich in die düsteren und abgelegenen, aber ruhigen Gemächer des Königs zurückziehen zu können, die zwei Stockwerke und am Ende des Ganges über dem Getümmel lagen. Er wusste selbst nicht, woher er seine völlig unbegründete Zuversicht in Sachen Hoftag nahm, es schien ihm, dass sie aus der schieren Not der Verzweiflung geboren war. Jedenfalls hatte er für sich beschlossen, dass er bis zum letzten Atemzug fest an ein gutes Ende glauben wollte, so lange es noch einen Funken Hoffnung gab. Er hatte das Gefühl, wenn er jetzt auch noch anfing herumzujammern, würde endgültig alles zusammenbrechen. Er war stark und konnte einiges aushalten, schließlich stammte er aus einer Bauernfamilie, in der es keine Zeit und kein Verständnis für Trübsalblasen gegeben hatte, sondern nur harte, ehrliche Arbeit und den täglichen Kampf ums Überleben. Und hier auf Burg Landskron, im Auge des Orkans, saß er nun wieder neben seinem König, der, ein Schatten seiner selbst, dankbar seinen Brei löffelte und ihm gespannt zuhörte, wie Elisabeth sein Geschenk aufgenommen hatte. Jedes Wort und jede Regung von ihr musste Bruder Thomas genau wiedergeben, strahlend vernahm er, wie sehr sie sich darüber freute, dass es ihm besserging. Dann lieferte er Bruder Thomas auf dem Spielbrett ein gnadenloses Gefecht, bis er wieder einnickte, weil Bruder Thomas sich den nächsten Zug ganz genau überlegen musste und eine kleine Ewigkeit für seine Entscheidung brauchte. Aber so sehr er auch alle Möglichkeiten in Gedanken durchexerzierte – er musste eingestehen, dass er in drei Zügen matt war, es gab keine Rettung mehr für seinen Schachzabelkönig.
Der wirkliche König hatte ihn geschlagen.
Bruder Thomas nutzte die Pause und ging an den Wachen vorbei auf den Gang hinaus. Als er sich mit einem Blick über seine Schulter zurück vergewissert hatte, dass man ihn nicht mehr sehen konnte, eilte er zum Ende des Ganges, wo ein Vorhang eine Geheimtür verdeckte, die ihm noch von früher bekannt war. Hinter der Tür war der Zugang zum Bergfried, den er überquerte. Im Bergfried eilte er über die enge Treppe nach oben, um von dessen hohen Zinnen Ausschau nach der Medica zu halten.
Es hatte wieder leicht zu schneien begonnen, sanft rieselten die Schneeflocken vom grauen Himmel. Aber so sehr er seine Augen anstrengte und die Straße nach Osten absuchte, die in den Wald und dann zum Rhein hinabführte, war keine Gestalt auf einem Pferd zu erkennen, die der Medica auch nur ähnelte. Nur eine Vielzahl von Menschen und Gespannen, die alle Richtung Oppenheim zogen, am Fuß der Burg entlang, den Weihnachtsfeierlichkeiten entgegen. Wenn er einen Blick in den mit Fuhrwerken fast vollgestellten Burghof warf, wurde ihm bewusst, wie viele illustre Gäste schon eingetroffen sein mussten, so wimmelte es von Bediensteten und Bewaffneten, überall flatterten Wimpel und Fahnen und waren Wappen zu sehen. Ihn fror allmählich, auf der Spitze des Bergfrieds zog es gewaltig.
Gerade wollte er sich wieder nach unten und hinüber zum Palas begeben, als er den auffälligen gedeckten Reisewagen des Erzbischofs erspähte. Er wurde unter den Anfeuerungsrufen und Peitschenhieben der nebenher laufenden Fuhrleute von sechs Pferden die steile Zufahrt zur Toranlage hochgezogen, gefolgt von einer Eskorte, bestehend aus einem Dutzend Reitern mit dem Wappen des Erzbischofs, einem silbernen Reichsadler auf rotem Grund.
Der Wagen und die Eskorte wurden von den Wachen der Burg, die strengste Instruktionen hatten, was den Zugang ins Innere der Burganlage anging, nach einer kurzen Kontrolle gerade noch eingelassen. Man hatte sie wohl erwartet, denn hinter ihnen wurde die Brücke zur Toranlage mit einem Querbalken kurzerhand für weitere Fuhrwerke gesperrt. Die Kapazität der Burg samt Zufahrten und Innenhof war nun erschöpft, die Wagen waren teilweise schon auf dem Zwinger, dem freien Ring zwischen erstem und zweitem Wehrgang, abgestellt.
Die Ankunft Konrad von Hochstadens war dem Grafen schon gemeldet worden. Dem höfischen Protokoll entsprechend erwarteten der Graf und seine Gattin einen der ranghöchsten Fürsten des Reiches auf den Treppen vor dem Haupteingang zum Palas. Bruder Thomas konnte von so hoch oben keine Einzelheiten erkennen, aber er stellte sich die Miene des Grafen und der Gräfin leicht säuerlich vor, eine
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