Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
immer untrennbar miteinander verbunden. Nur Gott und ich als sein Stellvertreter werden davon erfahren, was dich belastet. Jetzt sprich!«
»Bruder Thomas, ich habe schwere Schuld auf mich geladen.«
»Was hast du getan?«
»Ich habe den König vergiftet.«
»Du hast was?!«
»Ihr habt recht gehört. Ich habe den König vergiftet.«
Bruder Thomas hielt den Atem an, in der Kapelle war nur das Klatschen des nassen Putzlappens zu hören, den die alte Frau ausgewrungen hatte und nun wieder auf den Boden fallen ließ. Endlich fand er seine Fassung und seine Stimme wieder. »Weißt du, was du da sagst?«
»Ja, Bruder Thomas. Und es kommt noch schlimmer. Ich soll den König noch heute töten. Und dann, falls man mir auf die Schliche kommt, mich selbst.«
Bruder Thomas musste sich schwer am Riemen reißen, um in seinem plötzlich aufwallenden heiligen Furor nicht vollkommen aus der Haut zu fahren, Veit am Kragen zu packen, zu schütteln und sofort die ganze schreckliche Wahrheit aus ihm herauszuprügeln. Ausgerechnet Veit hatte er vertraut und sich von ihm das Essen des Königs zubereiten lassen! Gott sei Dank hatte der Koch vorher immer davon probiert, also war es Veit wohl unmöglich, sein Gift in der Zeit, in der er, Bruder Thomas, auf Burg Landskron war, zur Anwendung gebracht zu haben. So konnte man sich in einem Menschen täuschen. Er verbarg sein Gesicht in den Händen, bis er schließlich mit Müh und Not einen Satz herausbrachte. »Wer hat dich beauftragt, so eine abscheuliche Tat zu begehen?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Veit, Veit – auf welche Teufelei hast du dich da nur eingelassen?«
Es dauerte einen Moment, bis Veit mit abgrundtiefer Bestimmtheit sagte: »Ich habe es gewusst. Von Anfang an habe ich es gewusst.«
»Was hast du gewusst?«
»Dass Ihr jetzt aufstehen werdet, mit meinem Geständnis zum Grafen und zur Medica geht und alles berichtet. Habe ich recht?«
»Nein. Das kann ich nicht. Das Beichtgeheimnis ist mir heilig.«
Wieder war eine ganze Weile nichts zu hören außer Veits schweren Atemzügen. Schließlich sagte er: »Bruder Thomas – ich bereue meine Sünden. Könnt Ihr mir vergeben?«
Bruder Thomas schloss die Augen und ließ eine lange Zeit verstreichen, bevor er antwortete. »Das kann ich nicht. Sie wiegen zu schwer. Ich bin nur ein Mensch. Ich fühle mich für den König und sein Wohl verantwortlich. Ich kann es nicht, Veit. Vielleicht kann Gott es, aber ich nicht.«
Die Stimme von Veit zitterte. »Jetzt, hier in diesem Beichtstuhl seid Ihr kein Mensch. Ihr seid ein Priester. Und ich bereue. Ihr müsst mir vergeben, Pater. Ich bitte Euch inständig. Ihr könnt mir die Absolution nicht verweigern. Gebt mir eine Gelegenheit, um zu sühnen. Ich bin zu allen Opfern bereit, aber gebt mir eine!«
Bruder Thomas stand auf, verließ den Beichtstuhl und ging den Mittelgang der Burgkapelle auf und ab wie ein Tier im Käfig. Die Alte mit ihrem Putzkübel war verschwunden, aber das fiel ihm gar nicht auf. Der Kapellenboden glänzte feucht im Licht der vielen Kerzen. Die Beichte von Veit hatte Bruder Thomas in tiefste Zerrissenheit gestürzt. Was sollte er tun? Er musste darauf in irgendeiner Weise reagieren, jetzt, wo er wusste, wer den König vergiftet hatte. Und seit wann. Aber wie? Er durfte mit niemandem darüber reden. Nicht einmal mit der Medica.
Aber mit Veit …
Er musste ihn zu einem vollständigen Geständnis überreden. Er musste alles in Erfahrung bringen, um zu verhindern, dass Veit und seine Auftraggeber doch noch ihren Plan ausführten. War Veit überhaupt noch da? Er, der Beichtvater, hatte seinen Pönitenten einfach im Beichtstuhl zurückgelassen. Er drehte sich suchend um und erblickte Veit auf den Stufen zum Altar sitzend, das Gesicht in den Händen vergraben. Er setzte sich neben ihn.
»Bin ich verloren, Bruder Thomas?«, murmelte Veit dumpf in seine Hände. »Ist meine Seele verloren? Sagt mir …«
Er konnte nicht weitersprechen, weil er in ein krampfhaftes Schluchzen verfiel. Bruder Thomas nahm seinen Kopf und drückte ihn tröstend an seine Schulter. »Was hast du getan, mein Sohn?«, sagte er. »Auf was hast du dich da nur eingelassen! War es Hass, war es Habgier? Haben sie dir gedroht? Haben sie etwas gegen dich in der Hand?«
Aber Veit brachte außer seinem hemmungslosen Schluchzen nichts heraus. So saßen sie eine ganze Weile da, der eine verzweifelt bis über den Rand der Hoffnungslosigkeit hinaus, der andere zerrissen zwischen seiner
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