Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Verantwortung dem Wohle des Königs und der Sicherheit des Reiches gegenüber und gegenüber seinem Pönitenten, der sich ihm anvertraut hatte.
Leise fiel die Zugangstür vom Palas zur gräflichen Empore in der Burgkapelle wieder zu, ohne dass es die beiden am Altar bemerkt hätten. Pater Severin, von der Alten mit dem Lappen und dem Putzeimer davon in Kenntnis gesetzt, dass dieser Bruder Thomas dem Koch eine Beichte abnahm, hatte genug gesehen. Veit hatte also geplaudert. Er musste aus dem Weg geräumt werden, und zwar schnellstens. Offenbar hatte er gebeichtet, das gab Pater Severin noch Zeit. Nicht viel, aber doch so viel, dass er eine günstige Gelegenheit abpassen konnte und nicht planlos vorgehen musste. Bruder Thomas war dem Schweigegelübde verpflichtet, aus dieser Richtung drohte vorerst keine Gefahr, aber wie lange noch? Er und die Medica hatten alles für den König getan, wer weiß, ob Bruder Thomas seine Pflicht gegenüber dem König nicht höher einstufte als seine Schweigepflicht. Aber man musste damit rechnen, dass er wegen seines konkreten Wissens um die Gefahr und von wem sie ausging entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen würde, ohne etwas von der Beichte preiszugeben. Aber dazu war es jetzt eigentlich schon zu spät. Heute Abend, wenn der König nicht auftreten konnte, würde Konrad von Hochstaden den Gegenkönig Wilhelm von Holland ins Spiel bringen. Und wenn dieser Stein erst einmal ins Rollen gekommen war, war er nicht mehr aufzuhalten. Bei entsprechenden Vorwürfen von Bruder Thomas würde man natürlich alles abstreiten und behaupten, es sei ein Lügengebilde der Gegenseite, im Verdrehen von Wahrheiten war der Erzbischof ein gewiefter Taktiker und wahrer Meister. Aber bis dahin durfte Veit nicht mehr unter den Lebenden weilen. Er musste es wie einen Unfall aussehen lassen.
Sorgfältig erwog Pater Severin die verschiedenen Möglichkeiten und Konsequenzen und huschte schließlich mit wehender Soutane durch die Gänge der Burg auf der Suche nach seinem Herrn.
In der Burgkapelle hatte Bruder Thomas einen Entschluss gefasst. Er stand auf und sah auf Veit hinunter, der immer noch, niedergedrückt von der Schwere seiner Schuld, zusammengekauert auf den Stufen vor dem Altar saß.
»Veit, ich möchte dir einen Vorschlag unterbreiten. Lass mich darüber nachdenken, was du mir gebeichtet hast. Wir treffen uns nach der Mitternachtsmesse wieder hier in der Burgkapelle. An der Messe muss ich teilnehmen. Das ist unvermeidlich. Bis dahin weiß ich, wie und unter welchen Bedingungen ich dir Absolution erteilen kann. Von dir verlange ich, dass du noch mal in dich gehst und mir doch die ganze Tragweite deines schändlichen Vorhabens schilderst und wer dich dazu angestiftet hat. Denn nur so kann ich deine vollkommene Reue sehen und als wahrhaftig und aus tiefstem Herzen kommend empfinden. Ich nehme an, du hast Geld dafür bekommen.«
»Ja.«
»Diese Vorgehensweise kommt mir bekannt vor. Wie dem auch sei – am besten, du packst schon mal deine Sachen und hältst dich verborgen bis nach der Messe. Hier kannst du so oder so nicht länger bleiben. In der Küche lässt du dich nicht mehr sehen. Ich werde dich entschuldigen.«
»Ja, Bruder Thomas.«
»Geh in dich, bereue vor Gott. Gott ist unerforschlich und unergründlich in seiner Barmherzigkeit.«
Er machte Veit mit dem Daumen das Kreuzeszeichen auf die Stirn, in diesem Augenblick verspürte er Mitleid mit dem Koch. Dann ging er, um endlich für den König eine Kleinigkeit aus der Küche zu holen, wie er ursprünglich vorgehabt hatte.
TEIL V
I
E s war kurz vor Mitternacht am Heiligen Abend. In der Katharinenkirche zu Oppenheim standen die Leute dicht an dicht. Zimmerleute hatten ein provisorisches Holzdach errichtet und die hohen Spitzbogenfenster mit Brettern abgedichtet. Das gewaltige Kirchenschiff war noch im Bau, die Seitenmauern und der Altar standen bereits, aber bis die geplanten schweren Kreuzrippengewölbe, das Dach, die Türme und die teuren Bleiverglasungen für die Fenster fertiggestellt waren, würden noch Jahre ins Land ziehen.
Als Graf Georg von Landskron davon erfuhr, dass der Hoftag für die Weihnachtsfesttage angesetzt und auf Wunsch des Königs in Oppenheim und auf Burg Landskron abgehalten werden sollte, hatte er zusammen mit dem Rat der Stadt beschlossen, die Katharinenkirche, das größte Gebäude und gleichzeitig die größte Baustelle im Land, so weit instand setzen zu lassen, dass darin eine heilige Messe für den König
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