Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
abgehalten werden konnte, in der es allen Beteiligten des Hoftags und einem Großteil der Bevölkerung ermöglicht werden sollte, daran teilzuhaben. Es war nicht so, dass Großveranstaltungen dieser Art und Wertigkeit in einem nur für wenige Auserkorene bestimmten Konklave abgehalten wurden. Ganz im Gegenteil, ein Hof- und mehr noch ein Reichstag sollte auch nach außen Pracht, Herrlichkeit und aktives Gestalten der Reichspolitik unter der Herrschaft der Hohenstaufen demonstrieren und repräsentieren. Auch der Geringste unter den Untertanen musste einmal in seinem Leben die Gelegenheit haben, wenn auch vielleicht nur aus weiter Ferne, aber immerhin mit eigenen Augen den König oder wenigstens seine Fürsten zu sehen. Das stärkte den Gemeinsinn und insbesondere den Glauben daran, dass es ein weltliches Machtinstrumentarium gab, das, mit Gottes Gnade und Wohlgefallen, die irdischen Belange durch Gesetze regelte, Verstöße ahndete und richtete. Es förderte den Handel und Wandel, demonstrierte einen gemeinsam aufs Neue beschlossenen Landfrieden und somit die Grundlage für ein prosperierendes und friedvolles, von Recht und Gesetz und unter dem Primat des christlichen Glaubens regiertes Gemeinwesen. Nichts anderes als die Bestätigung des Status quo war das Mindeste, was ein Hoftag bewirken sollte. Dass dieser Status quo ständig gefährdet war durch gegensätzliche Interessen verschiedenster Natur, durch Intrigen, Verschwörungen oder offenen Schlagabtausch stand auf einem anderen Blatt. Die Fürsten waren wankelmütig, sie schlugen sich stets auf die Seite dessen, von dem sie sich einen größeren Vorteil versprachen. Diese Kräftegemengelage auszutarieren, war eine der vorrangigsten Aufgaben des obersten Herrschers, und das gelang nicht immer. Wenn der König sich nicht regelmäßig zeigte und seine Macht ausübte, konnte ein politisches Wackeln sehr schnell Wirkung zeitigen und alte Machtverhältnisse umkehren.
Graf Georg von Landskron hatte mit großer Sorge beobachtet, wie und vor allem mit wem der stärkste Gegner der Hohenstaufen auf Burg Landskron aufgetreten war. Er kannte Wilhelm von Holland, und er wusste, dass der Erzbischof ihn in der Hinterhand hatte, um ihn als Gegenkönig vorzuschlagen, wenn Konrad IV . ins Straucheln geraten oder gar ganz ausfallen sollte.
Trotz der Eiseskälte war mehr als die halbe Stadt auf den Beinen, es bot sich nicht oft die Gelegenheit, einer so wichtigen und pompösen Veranstaltung und so zahlreichen hohen Herrschaften teilhaftig zu werden. Außerdem hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass es vielleicht zu einem Skandal kommen könnte, ausgelöst durch die Anwesenheit des Erzbischofs, der immer für einen besonderen Auftritt gut war. Nur zu genau erinnerten sich die Oppenheimer an den im vergangenen Sommer geplatzten und aufsehenerregenden Inquisitionsprozess gegen die Medica, der nicht nur in Oppenheim, sondern landauf und landab für Furore und wochenlangen Gesprächsstoff gesorgt hatte.
So war die Anspannung im halbfertigen Kirchenschiff mit den Händen zu greifen, je mehr sich das Langhaus füllte. Vor der zukünftigen Apsis, am Altar, versammelte sich die Elite des Reiches, die ihre besondere Stellung durch prächtige Gewänder und Schmuck, extravagante Hüte und Gebende, mit Pfauenfedern und Perlen geschmückt, und durch lederne Schuhe für jedermann sichtbar kundtat. Man sah Pelze, teuerste und in allen Farben leuchtende Stoffe wie Atlas, Barchent, Brokat, Damast, Samt und Scharlach. In den vordersten Reihen schimmerte und glitzerte es im Licht tausender Kerzen.
Es war kalt im Kirchenbau, aber das Gedränge war so groß, die Menschen standen dicht an dicht und wärmten sich gegenseitig. Der Hochadel wurde durch einen Sperrriegel, den Soldaten des Grafen bildeten, vom gewöhnlichen Volk abgeschirmt. Je niedriger ein Gläubiger in der Rangordnung stand, desto weiter hinten musste er sich seinen Platz erkämpfen, wenn es sein musste mit dem Ellenbogen. Aber auch die Geringsten unter den Anwesenden kamen in den Genuss des Einzugs von Graf und Gräfin von Landskron und ihren Ehrengästen, dem Erzbischof und dem König, auf die man gespannt wartete. Sie würden selbstverständlich erst kurz vor Beginn der Zeremonie auftreten.
Der Chor aus Nonnen vom außerhalb der Stadtmauern vor dem Seilertor gelegenen Kloster Mariacron setzte mit einem Choral ein, was die Unruhe unter den Anwesenden allmählich verebben ließ. Die Atmosphäre war seltsam unwirklich in dem gerade zur
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