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Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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regelmäßig zu seinen Eltern und seiner Frau nach Hause, er selbst brauchte nicht viel, Kost und Logis waren frei, er konnte essen und trinken, so viel er wollte. Der Nachteil war nur, dass er im Gefolge des Hofes nie lange Zeit an einem festen Ort blieb. Seine Familie lebte im Herrschaftsgebiet der Wittelsbacher in Vohburg, und er zog mit dem königlichen Tross von Burg zu Burg, von Stadt zu Stadt, von Grafschaft zu Grafschaft. Im Reich war es – anders als in anderen Königreichen und Fürstentümern Europas – nicht üblich, dass der oberste Herrscher einen festen Stammsitz hatte, wo er die meiste Zeit des Jahres residierte. Seit Karl dem Großen waren die Kaiser des Heiligen Römischen Reiches ruhelos umhergezogen. Aber das war ein wichtiger und grundsätzlicher Bestandteil ihrer Politik. Sie mussten sich möglichst überall im riesigen Reich sehen lassen, Gerichtstage, Reichstage und Hoftage abhalten, Kriege führen, sich ihrer Verbündeten versichern, neue Bündnisse suchen und schließen, kurz, der Hof im Reich war ständig unterwegs. Nur den Winter brachte man auf einer der Kaiserpfalzen zu oder bei einem befreundeten Fürsten.
    So war Veit, seit er sich erinnern konnte, durch das halbe Reich nördlich der Alpen gereist und hatte seine Frau und sein Kind seit Jahr und Tag nicht mehr gesehen. Seine Tochter Agnes, sie musste jetzt vier Lenze zählen, würde ihren Vater vermutlich gar nicht erkennen, wenn er eines Tages an ihre Tür klopfte. Damit konnte er leben, er war froh, ein gutes Auskommen zu haben. Und das konnte er mit seinem Nebenverdienst noch wesentlich aufbessern.
    Aber dann hatte sein Leben eine entscheidende Wendung genommen. Nach einer Messe in Wetzlar, der er beiwohnte, er war ein guter und gläubiger Christ, war sein Verbindungsmann plötzlich auf ihn zugekommen und hatte ihn in die Sakristei gebeten, wo ihn ein gedrungener, ganz in Schwarz gekleideter, leicht hinkender Kleriker erwartete. Er stellte sich als Pater Severin vor. Das Angebot, das er ihm im Auftrag seines Herrn, des Erzbischofs von Köln, unterbreitete, war so lukrativ, dass Veit nach anfänglichem Zögern nicht nein sagen konnte. Ausschlaggebend war aber nicht unbedingt die beträchtliche Summe, die er im Erfolgsfall erhalten sollte, sondern die Tatsache, dass Pater Severin ihn ausdrücklich von jeder Sünde, die er im Zusammenhang mit seinem Auftrag zweifellos begehen musste, freisprach. Es war eine Todsünde, das Leben eines anderen Menschen allmählich auszulöschen, indem er diesen nach und nach vergiftete. Aber Pater Severin versicherte Veit glaubhaft, dass er damit der Heiligen Mutter Kirche einen Gefallen erwies und dass diese Tat nicht nur schon jetzt auf Erden, sondern auch dereinst im Himmelreich belohnt würde. Kaiser Friedrich II . war 1239 von Papst Gregor IX . zum zweiten Mal exkommuniziert und gebannt worden, und damit hatte jeder Christenmensch, wenn er die Gelegenheit dazu bekam, nicht nur das Recht, sondern ausdrücklich die Pflicht, ihn und seinen Sohn, den er zu seinem Nachfolger bestimmt hatte und der nicht von allen Fürsten anerkannt wurde, aus dem Weg zu räumen.
    Als Veit von höchster Stelle, dem Erzbischof selbst, die Dispens bestätigt bekam, nahm er den Auftrag an und schritt zur Tat. Es war für ihn ein Leichtes, er hatte Zugang zu sämtlichen Speisen, die dem König aufgetragen wurden, niemand verdächtigte ihn. Er ging so vor, wie Pater Severin es ihm vorgeschrieben hatte, hielt sich penibel an die Dosierung des pulverförmigen Gifts, das laut Aussage des Paters ein Mönch aus einem fernen Land namens Persia mitgebracht hatte, wo man es aus dem Samen einer Pflanze gewann, die nur dort wuchs. Anfangs verspürte er kein schlechtes Gewissen, er handelte schließlich in höherem Auftrag und zum Wohle des Reiches, wie ihm Pater Severin mit Engelszungen eindrucksvoll versicherte. Aber als er in der Burgkapelle auf Burg Landskron die Silbermünzen in der Hand hielt, als Blutgeld dafür, ein sofortiges und finales Ende des jungen Königs herbeizuführen, war es ihm auf einmal, als hätte er seine unsterbliche Seele für ein Erbsengericht verkauft. Lag es daran, dass er inzwischen mitbekommen hatte, dass und wie sich Menschen wie dieser Bruder Thomas oder diese Medica für den König einsetzten? Oder verspürte er plötzlich Mitleid mit dem König, weil er einmal gesehen hatte, wie dieser leiden musste? Und dann war da noch der Traum eines Nachts, in dem ihm seine Tochter erschien, die an seinem Grab

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