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Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)

Titel: Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Geiges
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Hälfte errichteten Langhaus mit dem Bretterdach, als spiegelte der bauliche Torso einer Kirche die Gespaltenheit des Reiches wider, das Unvollendete einer prinzipiell an der Universalität der Christenheit ausgerichteten Reichsidee, die je nach Laune der Geschichte sich zu vorher nie für möglich gehaltener erhabener Größe aufschwingen oder beim geringsten Sturm in sich zusammenbrechen würde.
    In die wartende Menschenmenge kam Bewegung. Eine kleine Seitentür vorne am Altar ging auf, und herein schritt Seine Eminenz, der Erzbischof, in vollem Ornat. Hinter ihm folgte Pater Severin, diesmal in strahlend weißer Kukulle, der Farbe der Unschuld, einem Mantel mit Kapuze und sehr weiten Ärmeln, in der seine Hände steckten. Diese Kukulle war eigentlich den Kartäusern vorbehalten, Pater Severin war Benediktiner, aber er schien sich um solche Nebensächlichkeiten nicht zu kümmern. Er war wie immer nur auf Wirkung bedacht.
    Konrad von Hochstaden hatte sich vom Grafen ausbedungen, das Pontifikalamt höchstselbst zu zelebrieren, schließlich war er der ranghöchste Kirchenfürst, ausgestattet mit sämtlichen Insignien seiner kirchlichen Macht, dem Bischofsstab und der Mitra. Er bot eine eindrucksvolle Erscheinung in seiner bis zum Boden reichenden weißen Alba aus Seidenstoff, darüber eine rote Dalmatica, ein Überziehkleid. Um seine Schultern hingen die Casula, der geschlossene Umhang, und darüber das Pallium, eine Binde mit Kreuzeszeichen. Seine Hände steckten in weißen, nahtlosen Handschuhen aus Seide, auf dem Handrücken befand sich ein eingesticktes, goldenes Kreuz. Zwei Ringe trug er an Ring- und Zeigefinger, der Ring der Hochstadens und sein Bischofsring.
    Der Erzbischof ging vor zum festlich von Kerzen erleuchteten Altar und kehrte der Gemeinde den Rücken zu. Er wartete, bis absolute Stille eingekehrt war. Als auch das letzte Scharren und Hüsteln verklungen war, drehte er sich um und sah von oben herunter. Pater Severin verharrte einen Schritt hinter ihm, als wäre er des Bischofs Schutzengel, der über ihn wachte. In seinem Habit wie aus weißem Marmor gemeißelt stand er bewegungslos da, nur seine Augen streiften unentwegt über die Gemeinde der Gläubigen.
    In der vordersten Reihe verlagerte ein Mann in seinen Vierzigern unruhig das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Es war Wilhelm von Holland, drahtig, stolz, mit gestutztem Bart und perlenbesetztem Hut. Er wusste, dies könnte seine Stunde werden, und wartete nur auf ein Zeichen. Unmerklich kreuzte er seinen Blick mit dem von Pater Severin, der kurz die Augen schloss als beruhigende Bestätigung, dass schon alles seinen geplanten Gang nehmen würde.
    Immer noch warteten sie.
    Auch Elisabeth von Bayern, die in der zweiten Reihe neben ihren Eltern stand. Sie war die Einzige, die zuversichtlich war, dass der König kommen würde. Sie schloss die Augen und betete inständig dafür.
    Allmählich wurde es wieder unruhig. Die enorme Anspannung, die sich immer weiter aufbaute, war dem Erzbischof nicht anzumerken, er stand unbeirrbar fest wie ein Fels, die Augen schienen in imaginäre Weiten zu blicken, dahin, wo kein Normalsterblicher Zugang hatte. Dann, plötzlich, hob er seinen Bischofsstab, als könne er jeden Moment ein Wunder bewirken.
    Wieder wurde es mucksmäuschenstill.
    Einige Gläubige zuckten zusammen, als plötzlich die Stimme des Erzbischofs in einem liturgischen Singsang einsetzte, der mit seinem Bischofsstab das Kreuzeszeichen andeutete. »In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti.«
    Die Gemeinde antwortete: »Amen.«
    Der Erzbischof hob die Arme und intonierte: »Introibo ad altare Dei.« Dann drehte er sich zum Altar um.
    Pater Severin fing an, das Stufengebet anzustimmen, das den üblichen Eröffnungsteil der Messe bildete.
    Als das Wechselgebet zu Ende war, schwieg der Erzbischof nun und ließ das Amen des Pater Severin verhallen. Dann, mit einem Mal, wandte er sich wieder den Gläubigen zu, hielt den Bischofsstab Aufmerksamkeit heischend in die Höhe und ließ seine schneidende Stimme durch das Kirchenschiff erschallen, dass es jedem Christenmenschen durch Mark und Bein fahren musste. »Ihr Gläubigen im Herrn, die ihr im Namen Gottes hier zur heiligen Messe versammelt seid – wir haben heute, am Heiligen Abend, eine traurige Botschaft zu verkündigen. So sehr wir gebetet und Gott den Allmächtigen angefleht haben, ein großes Unheil ist über uns und unser Land gekommen. Konrad IV . kann offensichtlich nicht an der heiligen

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