Die Rache der Medica (Die Medica-Reihe) (German Edition)
Jahr mit spärlichem Dienstbotengeschwätz die neue rechte Hand des Erzbischofs, Pater Severin, in Köln aufsuchte. In dieser großen Stadt hatte er sowieso regelmäßig zu tun, weil er auch für den Einkauf von Gewürzen und Salz zuständig war. Bei der Gelegenheit konnte er unauffällig einen kleinen Abstecher zum erzbischöflichen Palast machen und Pater Severin Bericht erstatten, was am Hof der Greifenklaus vor sich ging. Pater Severin hatte im Auftrag des Erzbischofs schon seit geraumer Zeit damit begonnen, nach und nach ein Geflecht von bezahlten Zuträgern aus allen Lagern aufzubauen, feindlich und freundlich gesinnten, um über alle Stimmungen und Vorhaben im Lande immer auf dem Laufenden zu sein.
Das kostete zwar ein kleines Vermögen, aber dieses Geld war gut angelegt. Konrad von Hochstaden war wie eine Spinne im Netz, die das kleinste Vibrieren eines noch so weit ausgeworfenen Fadens wahrnahm und sofort darauf reagierte.
Seine neue rechte Hand, nachdem er Pater Sixtus für dessen Verdienste zum Abt von Kloster Heisterbach gemacht hatte, war Pater Severin. Er war von kleiner Gestalt und hinkte. Wenn er es nicht hören konnte, nannten die Zuträger ihn »Giftzwerg«. Er hatte seinen Spitznamen natürlich längst in Erfahrung gebracht, aber das störte ihn offenbar nicht weiter, solange er in der Gunst seines Herrn stand und die Leute aus dem gemeinen Volk ihn fürchteten. Im Gegenteil, er schien es zu genießen, wenn alle die Augen niederschlugen und die Gespräche verstummten, sobald er einen Raum betrat. Tatsächlich ging das nicht unbegründete Gerücht um, dass es lebensgefährlich war, sich mit dem »Giftzwerg« anzulegen und sich ihn zum Feind zu machen. Es hieß, dass sich Pater Severin nicht nur bestens darauf verstand, jedes Geständnis aus einem verstockten Opfer herauskitzeln zu können, wenn er es erst einmal auf der Streckbank im Keller des bischöflichen Palastes hatte, sondern auch darauf, jemanden still und unauffällig auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen, falls es nötig war oder sein Gebieter es in Auftrag gab.
Die Aussicht, Pater Severin beim nächsten Besuch in Köln, der noch vor Einbruch des Winters anstand, mit Neuigkeiten zu versorgen, welche die jüngsten Vorkommnisse am Hof des Grafen Landskron betrafen, von denen er wusste, dass auch der Erzbischof darin involviert war, schärfte Jeronimus’ Hörvermögen zusätzlich. Chassim und sein Vater waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie nicht merkten, wie Jeronimus umständlich lange am Kamin herumwerkelte, Asche herausschaufelte und neue Scheite nachlegte.
Chassim erzählte seinem Vater haarklein, was alles passiert war, seit er an dem Turnier teilgenommen hatte. Claus von Greifenklau wollte jedes Detail erfahren. Und Chassim wurde nicht müde, ihm alles so bunt und anschaulich wie möglich zu schildern, obwohl er erschöpft von der anstrengenden Reise war. Er schien instinktiv zu wissen, was es für seinen Vater bedeutete, auf diese Weise zumindest ein wenig am normalen Leben teilnehmen zu können. Seine Blindheit war schon schlimm genug. Früher war er noch bei jedem Wetter den lieben langen Tag auf seinem Pferd unterwegs gewesen, hatte seine Ländereien inspiziert und die Bauern auf dem Land aufgesucht, um mit ihnen über Aussaaten, Erträge und die Familie zu sprechen und gelegentlich auch mit anzupacken, wenn körperlicher Einsatz gefragt war. Vor allem liebte er seine weiten Wälder. Die Jagd auf Wildsauen und Rotwild fehlte ihm ebenso wie die Arbeit beim Holzschlagen. Er war sich nie zu schade gewesen, mit seinen Waldarbeitern die Axt zu schwingen, der Holzertrag war die größte Einnahmequelle der Grafschaft, und Claus von Greifenklau liebte den Geruch von frischem Holz und dem abendlichen Lagerfeuer. So manche Nacht hatte er mit seinen Männern im Freien verbracht, Lieder gesungen und Wildbret gebraten. Aber er war auch höchst interessiert am politischen Geschehen, das dort draußen vor sich ging. Umso empörter war er darüber, was sich in Oppenheim begeben hatte. Dass Konrad von Hochstaden alles tat, um den Staufern zu schaden, und womöglich sogar im Geheimen an einem Sturz des gegenwärtigen Status quo arbeitete, war ihm seit langem sattsam bekannt. Trotzdem konnte er sich noch darüber aufregen, wie machtbesessen und rücksichtslos der Erzbischof vorging, um seine Pläne zu verwirklichen. Dass er sich an Anna aus Ahrweiler die Zähne ausgebissen hatte, freute ihn über alle Maßen. Als Chassim erzählte,
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